GOR-Zyklus 02 - Der Geächtete von Gor
Priesterkönige, Wächter des Heil i gen Ortes im Sardargebirge, anscheinend mit allem ve r traut, was sich auf Gor ereignete, Beherrscher des entset z lichen Flammentodes, der vernichten konnte, was ihr Mi ß fallen erregte, wurden nicht von niederen Motiven getri e ben wie die Menschen, unterlagen nicht den Regeln des Anstands und des Respekts, die das menschliche Handeln zu beeinflussen vermögen. Sie hatten ihre eigenen fre m den und geheimnisvollen Ziele; und zum Wohle dieses Zieles wurden die Menschen wie Marionetten eingesetzt. Es lief das Gerücht, daß die Priesterkönige Menschen g e brauchten wie Figuren in einem Spiel und daß, wenn ein Stein seine Rolle ausgespielt hatte, er beseitigt oder – wie in meinem Falle – vom Spielbrett genommen wurde, bis die Priesterkönige Lust auf ein neues Spiel hatten.
Einige Schritte von mir entfernt lagen Gegenstände im Gras. Ich bemerkte einen Helm, ein Schild und einen Speer, dazu ein zusammengerolltes Lederbündel. Ich kniete nieder und untersuchte meinen Fund.
Der Helm bestand aus Bronze, war nach griechischer Art gearbeitet und hatte an der Vorderseite eine einzelne Öffnung in Y-Form. Er trug keine Stadtzeichen, und das Wappenschild war leer.
Der runde Schild aus konzentrisch überlappenden Schichten gehärteten Leders, die mit Messingklammern verbunden waren, dazu die Doppelschlinge, durch die man den linken Arm steckte, war ebenfalls neutral geha l ten. Gewöhnlich ist ein goreanischer Schild bunt ang e malt und weist Zeichen auf, nach denen man die Heima t stadt des Kriegers erkennen kann. Wenn dieser Schild für mich gedacht war – woran ich eigentlich nicht zweifelte –, müßte er das Wappen Ko-ro-bas, meiner Stadt, tragen.
Der Speer war ebenfalls typisch goreanisch – etwa zwei Meter lang, schwer, mit einer etwa vierzig Zentim e ter langen Bronzespitze. Der Speer ist eine schreckliche Waffe und kann wegen der geringeren Schwerkraft Gors mit unvorstellbarer Kraft geschleudert werden und auf nahe Entfernung ein Schild durchstoßen oder sich dreißig Zentimeter in festes Holz bohren. Mit dieser Waffe m a chen sich Männer sogar auf die Jagd nach dem Larl in seinen Heimatbergen, dem Voltai-Gebirge – der Larl, das unglaubliche, pantherähnliche Raubtier, das hochaufg e richtet über zwei Meter mißt.
Tatsächlich ist der goreanische Speer so wirksam, daß viele Krieger kleinere Schußwaffen ablehnen – wie etwa den Bogen oder die Armbrust, die ebenfalls recht häufig anzutreffen sind. Ich bedauerte allerdings, daß sich unter den Waffen zu meinen Füßen kein Bogen befand, da ich mir bei meinem letzten Aufenthalt auf Gor eine gewisse Geschicklichkeit damit angeeignet hatte, die meinen d a maligen Waffenlehrer nicht wenig beunruhigte.
Ich dachte noch gern an ihn zurück, an den Älteren Tarl. Tarl ist auf Gor kein ungewöhnlicher Name. Ich freute mich sehr auf mein Wiedersehen mit dem stämm i gen Mann, der bärtig und stolz war wie ein Wikinger, ein großartiger Schwertkämpfer, der mich im Gebrauch von Waffen unterwiesen und zu einem goreanischen Krieger gemacht hatte.
Ich öffnete das Lederbündel. Es enthielt die rote Tun i ka, die Sandalen und den Umhang, wie sie ein Mitglied der goreanischen Kriegerkaste zu tragen pflegt. Und das stimmte mich froh, denn ich gehörte dieser Kaste an – seit jenem Morgen, da mir mein Vater Matthew Cabot, Administrator Ko-ro-bas, die Waffen überreichte und ich den Heimstein dieser Stadt zu meinem eigenen machte.
Für einen Goreaner – der allerdings selten von solchen Dingen spricht – ist eine Stadt mehr als nur Backsteine und Marmor, mehr als nur Zylinder und Brücken Sie ist kein einfacher Ort, kein geographischer Bezugspunkt, an dem die Menschen ihre Unterkünfte errichtet haben. Der Goreaner glaubt, daß sich eine Stadt nicht einfach mit i h ren Teilen gleichsetzen läßt; für ihn ist sie fast ein lebe n diges Wesen – oder sogar mehr. Sie ist ein Wesen mit e i ner Geschichte, sie ist ein Wesen mit einer Tradition, e i nem Erbe, mit Sitten und Gebräuchen, Charakter, Inte n tionen, Hoffnungen. Wenn ein Goreaner beispielsweise sagt, er sei aus Ar oder Ko-ro-ba, ist das mehr als nur e i ne Bezeichnung seines Wohnorts.
Im allgemeinen glauben die Goreaner nicht an die U n sterblichkeit – obwohl es auch Ausnahmen gibt, insb e sondere in der Kaste der Wissenden. Einer Stadt anzug e hören heißt dementsprechend, daß man ein Teil von e t was ist, das weniger vergänglich ist als man selbst, etwas
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