Gorian 3
Morygor hat sie zurückgeholt?«, fragte Gorian.
»Mögen die Dämonen des Untererdreichs wissen, wie er auf sie gestoßen ist und sie sich untertan machte! Wahrscheinlich hat er dazu Hunderte von adhischen Schamanen gefoltert, um an das nötige Wissen zu gelangen.«
Der Blinde Schlächter warf Beliak eines seiner beiden Schwerter zu, das mit der kürzeren und breiteren Klinge. »Hier, nimm dies hier – und beweise, dass jemand wie du mit dem Schwert eines Maladran zu kämpfen vermag, wenn es sein muss!« Dann wandte sich Eldamir an Gorian. »Wollt Ihr Euch von einem einzelnen Adh gegen diese Übermacht verteidigen lassen?« Er deutete mit einer weit ausholenden Geste auf sein immer schattenhafter werdendes Maladran-Gefolge. »Kaum einer dieser Schattenkrieger wird die nötige Kraft haben, gegen diesen Gegner zu bestehen – es sei denn, Ihr verweigert sie uns nicht länger, mein Fürst!«
»Euresgleichen wird sich schon zu wehren wissen«, war Gorian überzeugt.
»Nicht gegen unsere Ebenbilder«, widersprach Eldamir. »Diese Kreaturen gleichen jenen, die wir einst waren. Die
Erinnerung lähmt die meisten meiner Krieger schon jetzt. Wenn Ihr ihnen keine Kraft gebt, werden sie einer nach dem anderen untergehen!«
»Ja, gut möglich, dass sie unter diesem Gesindel von schattenhaften Totengeistern jene erkennen, die sie selbst einst waren«, bestätigte Beliak. »Wandler sind exzellente Gedankenleser, auch wenn sie ihre eigenen Gedanken bestens abschirmen können.« Er wandte sich Gorian zu, und seine Züge wirkten so düster und grimmig, wie der junge Schwertmeister sie nie zuvor gesehen hatte. »Gib ihm, was er verlangt, Gorian. Und sprich seinen Namen. Ihr beide, deine Gefährtin und du, seid verletzliche lebende Menschen, und eure kurzen Schicksalslinien würden andernfalls hier und jetzt enden.«
Der Ring der Wandler hatte sich zwischenzeitlich geschlossen. Sie verharrten, als würden sie auf etwas warten.
»Hast du es bemerkt?«, meldete sich Sheera gedanklich bei Gorian, während auch sie ihr Schwert zog.
Gorian wusste, was sie meinte. »Manche der Gesichter gleichen sich wie bei Zwillingen.«
»Sie scheinen jeden der Maladran in ihrer ursprünglichen Gestalt mehrfach abzubilden. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie diese Kreaturen das Heer von König Abrandir unterwandert und dann den Stadtbaum erobert haben.«
Gorian aber beschäftigte noch ein anderer Gedanke: Es musste einen Grund geben, dass Morygor die Wandler geschickt hatte und Caladrania nicht einfach von einer genügend großen Anzahl von Leviathanen mit den dazugehörigen Truppen von Frostkriegern hatte zerstören lassen, so wie er es bei Pela getan hatte. Es war dem Herrn der Frostfeste offensichtlich sehr wichtig gewesen, diesen Ort zu erhalten und ihn möglichst unversehrt in seinen Besitz zu bringen.
Gorian konnte sich auch vorstellen, worum es ihm dabei gegangen war. »Andirs Kristall!«, entfuhr ihm ein sehr intensiver Gedanke.
Dieses Artefakt ermöglichte den Zugang zum Reich des Geistes. Offenbar hatte Morygor den Kristall unversehrt in seinen Besitz bringen wollen – und es stand zu vermuten, dass ihm dies auch gelungen war.
»Wahrscheinlich wird er gerade im Bauch irgendeines Leviathans zur Frostfeste gebracht« , vermutete Sheera, die Gorians erschreckten Gedanken natürlich aufgeschnappt hatte.
Beliak starrte unterdessen auf die Klinge, die ihm der Blinde Schlächter zugeworfen hatte, während Eldamir den Griff seines verbliebenen Schwertes mit beiden Händen umfasste. Sein augenloses Gesicht verzog sich zu einem dämonischen Lächeln, das blanken Zynismus zum Ausdruck brachte.
Das Schwert in Beliaks Händen drohte für einen Augenblick schattenhaft zu werden. Die Klinge wurde dunkel, dann verfestigte sich ihre Form wieder, und der metallische Glanz kehrte zurück.
»Ja, es vermag schon einer großen Willenskraft, um so eine Waffe zu handhaben, die ein Teil des Jenseits war«, höhnte Eldamir. »Ich bin gespannt, ob es dir gelingt.«
In diesem Moment senkte sich der Stadtbaum wieder herab, und Gorian erschrak. Die Äste spreizten sich, teilweise wuchsen sie sogar in die Länge, während sich die Baumkrone nach unten beugte und sie alle – Gorian, Sheera, Beliak, die Maladran und die Wandler – wie ein aus dunklem Geflecht bestehendes Kuppeldach überspannte.
Darüber waren noch immer die kreisenden Himmelsschiffe zu sehen, bei denen sich Gorian fragte, was es wohl mit ihnen auf sich hatte. Waren auch sie mit Wandlern
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