Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
Vom Netzwerk:
sie beiseite und schlug ihr vor, eine Skizze der Lichtung anzufertigen und die Lage der Ermordeten so genau wie möglich einzuzeichnen.
    »Vor oder nach der Wühlarbeit unseres guten Majors?« fragte Lewin.
    »Vorher«, entschied Arkadi. »Als ob der Major nie hiergewesen wäre.«
    Lewin suchte den Schnee um die Leichen herum nach Blutspuren ab.
    Wirklich ein herrlicher Morgen, dachte Arkadi. Auf dem jenseitigen Moskwa-Ufer sah er die Gebäude des Verteidigungsministeriums im ersten Tageslicht aufleuchten - dem einzigen Augenblick, in dem diese endlosen grauen Mauern leicht belebt wirkten. Ein Tag, an dem aller Winterschnee schmelzen zu wollen schien.
    »Scheiße.« Er starrte erneut die Leichen an.
    Der Fotograf wollte wissen, ob sein Kollege vom KGB nicht bereits Aufnahmen gemacht habe.
    »Bestimmt schöne Souvenirfotos«, antwortete Arkadi, »aber für unsere Ermittlungen ungeeignet.«
    Der Fotograf lachte geschmeichelt.
    Der Kriminalbeamte Pascha Pawlowitsch kam mit dem Dienstwagen des Chefinspektors: einem fünf Jahre alten Moskwitsch, keinem eleganten Wolga, wie Pribluda einen fuhr. Pascha war ein halber Tatar, muskulös mit einem dunklen Haarschopf.
    »Drei Leichen, zwei Männer und eine Frau.« Arkadi stieg in den Wagen. »Steifgefroren. Vielleicht eine Woche alt, vielleicht einen Monat oder ein Vierteljahr. Keine Ausweise, kein Tascheninhalt, nichts. Alle mit einem Herzschuss, zwei mit einem zusätzlichen Kopfschuss. Geh hin und sieh dir die Gesichter an.«
    Arkadi wartete im Auto. Mitte April war der Winter normalerweise noch nicht vorbei; meistens hielt er sich bis in den Mai hinein. Er hätte diese verstümmelten Leichen ruhig etwas länger für sich behalten können - dann läge Arkadi jetzt noch in seinem warmen Bett.
    Pascha kam empört zurück. »Was für ein Verrückter kann das gewesen sein?«
    Arkadi nickte ihm zu, er solle einsteigen.
    »Pribluda war da«, sagte er, als Pascha wieder am Steuer saß. Er beobachtete amüsiert, wie der Kriminalbeamte unwillkürlich etwas tiefer in den Sitz rutschte. »Dieser Fall ist nichts für uns«, fügte Arkadi hinzu. »Den nehmen sie uns bald ab, verlaß dich drauf!«
    »Aber hier, im Gorki-Park!« meinte Pascha sichtlich betroffen.
    »Verrückt, was? Tu jetzt, was ich dir sage, dann kriegen wir keine Schwierigkeiten. Du fährst zu der für den Park zuständigen Milizstation und holst einen Plan der Schlittschuhwege. Außerdem läßt du dir die Namen aller Patrouillen und Strassenverkäuferinnen geben, die im Winter in diesem Teil des Parks eingesetzt gewesen sind. Desgleichen brauchen wir die Namen der Parkwächter, die hier herumgeschnüffelt haben könnten. Wichtig ist, dass wir möglichst viel Wirbel veranstalten.« Arkadi stieg aus und beugte sich zu Pascha herab. »Ist mir übrigens ein zweiter Kriminalbeamter zugeteilt worden?«
    »Fet.«
    »Kenne ich nicht.«
    Pascha spuckte in den Schnee. »Ein Vögelein, das singt so fein …«
    »Aha!« Bei einem Fall dieser Art wurde die Mordkommission unweigerlich durch einen Spitzel erweitert; mit dieser Tatsache fand der Chefinspektor sich nicht nur ab, sondern er begrüßte sie sogar.
    »Wenn alle zusammenhelfen, sind wir den Fall um so eher wieder los.«
     
    Nachdem Pascha weggefahren war, kamen zwei Lastwagen mit jungen Milizrekruten an, die mit Schaufeln bewaffnet waren. Tanja hatte die Lichtung in Quadrate unterteilt, damit der Schnee Meter für Meter weggeschaufelt werden konnte, ohne dass zu befürchten war, der Fundort von Beweismaterial werde sich nicht mehr rekonstruieren lassen. Arkadi rechnete nicht ernsthaft damit, dass noch etwas gefunden werden würde. Ihm ging es lediglich um den äußeren Eindruck. Wenn die Farce glaubhaft genug war, rief Pribluda vielleicht schon im Laufe des Tages an.
    Warum gerade im Gorki-Park? In Moskau gab es größere Parks, in denen man Leichen verstecken konnte. Der Gorki-Park war nur zwei Kilometer lang und an seiner breitesten Stelle kaum einen Kilometer breit. Aber er war der beliebteste Park von Moskau. Hierher kamen alle: Angestellte, um ihre mitgebrachten Brote zu essen, Großmütter mit Kinderwagen, Liebespaare. Im Gorki-Park gab es ein Riesenrad, Brunnen, Kindertheater, Spazierwege, Restaurants und im Winter Eisbahnen und Schlittschuhwege.
    Fet, der junge Kriminalbeamte, meldete sich bei Arkadi. Er war fast so jung wie die Rekruten und blickte mit eisblauen Augen durch eine Nickelbrille.
    »Sie sind für den Schnee zuständig.« Arkadi deutete auf die wachsenden

Weitere Kostenlose Bücher