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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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seine Richtung. Und Juri macht eine Bemerkung und die anderen auch, und Steffen hält ihm eine neue Flasche Bier hin, was soll er tun, die stehen alle um ihn rum. Und vor ihm das Mädchen, dauernd ist die vor ihm, egal, wohin er sich dreht, sie ist schon da. Und sie hat eine Bierflasche in der Hand und die hält sie ihm hin, was soll er tun, er denkt, wenn ich anstoß, hört sie auf und ich komm endlich hier raus. Aber das Lied hört und hört und hört nicht auf. Bis er kapiert, dass es längst ein anderes Lied ist, auch ein englisches, das ihr gefällt, denn sie singt sogar mit, sie singt den ganzen Text mit, alle Strophen, und die anderen klatschen und grölen, sie kennen den Text nicht, überhaupt nicht. Das ist ihm unangenehm, dass die so falsch singen und das Mädchen so perfekt. Sie hatte wirklich eine klasse Stimme, oder vielleicht war ihm auch nur schwindlig, er hat sich ja dauernd im Kreis gedreht, ihretwegen, weil sie sich auch im Kreis gedreht hat, genau vor seinem Gesicht, und ihre Blicke hingen an ihm dran wie Vögel, die sich festgekrallt haben, er musste dauernd hinschauen, mit der Bierflasche in der Hand, im Kreis. Und dann klirrte es, es klirrte am Ende seines Arms, seine Bierflasche knallte gegen die ihre, und sie war voll, als hätte er noch nicht daraus getrunken. Eine Flasche nach der anderen wird ihm in die Hand gedrückt, und er merkt es nicht vor lauter Tanzen. Er konnte nicht tanzen, schon früher nicht, im Tanzkurs ist er immer als Letzter aufgefordert worden, und dann war es immer die Dicke, die sich genauso dämlich angestellt hat wie er, hat sie rumgeschoben und irgendwie seinen Arm um sie gelegt, er wollte nicht zu fest drücken, er wollte nicht wissen, wie sich das anfühlt, der Stoff auf dem Fett. Im »Eisenhans« war er kurz davor, den Arm um das Mädchen zu legen, ihre Jeans waren genauso blau wie sein Lieblingshemd, um das Mädchen im engen weißen Pullover, da hätte sein Arm gut rumgepasst, um die Hüfte von der. Aber das macht er nicht, er baggert so eine nicht an, die denkt noch, er hat das nötig, die denkt noch, sie ist was Besonderes mit ihrem schicken Pullover, so was macht er nicht, er hat das nicht nötig. Und als er den Arm ausstreckt, weil er Steffen die leere Bierflasche geben will, greift sie nach seiner Hand, biegt seinen Arm rum und legt ihn sich um die Hüfte, und zwar fest. Und er hat keine Möglichkeit was zu tun. Er hält sie, und je länger er sie festhält, desto fester hält er sie fest, und er dreht sich auch geschickter als vorher, und seine Schuhe schleifen nicht mehr so peinlich über den Boden. Und dann bemerkt er ihre Hand, in seinem Nacken und ihre andere Hand in seiner Hand und irgendwas passiert in ihm, als gehe eine Lawine ab und reiße alles mit. Er macht den Mund weit auf, weil er keine Luft kriegt. Und dann spürt er an den Fingern kalte Haut, ihre Haut, und die Lawine reißt alles mit, und er stolpert über seine Füße und lässt das Mädchen los und stolpert weiter, und die anderen weichen aus, und er sieht in ihre grinsenden Gesichter und er denkt, das ist das beschissenste Weihnachten, das ich je erlebt hab, noch beschissener als das erste, als mein Alter weg ist, und jetzt fall ich in den Dreck. Stattdessen landet seine Nase an ihrem Hals, und er ist näher an ihr dran, als er sich erinnern kann, jemals an jemand dran gewesen zu sein. Und sie hält ihn fest. Und als er sich wieder einkriegt, steht er mit ihr draußen, und drüben ist der Stadthafen, und da liegt die »Independia« und schwankt, schwankt wie er selber, und automatisch wie ein Ansager sagt seine Stimme: »Das ist das größte seegehende Holz und Motorschiff unter deutscher Flagge, Länge fünfzig Meter, Breite sieben Meter.« Und sie sagt: »Dann lass uns aufbrechen!« Und er denkt, sie meint es ernst, und geht los und sie hinter ihm her.
    »Wir müssen Julika dahin zurückschicken, wo sie herkommt«, sagte seine Mutter.
    Wenn ich die Wahl hätte zwischen absoluter Freiheit und absoluter Unterwerfung, würde ich die Unterwerfung wählen, weil ich dann eine Bestimmung hätte und eine Aufgabe, der ich mich hingeben könnte. Weiter schrieb sie in ihr Tagebuch: Mein Körper ist taub vor falschem Alleinsein.
    Wenn plötzlich die schweren Schlösser gesprengt würden und alle Türen aufgingen und sie hinaustreten dürfte, würde sie, davon war sie überzeugt, erstarren. Die Weite würde sie blenden wie gleißendes Licht, und die Freiheit, sich für eine von tausend Richtungen

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