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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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hatte ungestraft gemordet. Sie hatte kaltblütig, und ohne dass Inger Johanne ihre Motive jemals wirklich durchschaut hätte, im Winter und Frühjahr 2004 eine Reihe bekannter Personen ums Leben gebracht. Inger Johanne hatte Yngvar und Sigmund bei den Ermittlungen geholfen, bei denen nur herausgekommen war, dass sie alle von Benckes Schuld überzeugt waren. Sie konnten nichts beweisen. Die gefeierte Autorin hatte sie an einem schönen Frühlingstag aufgesucht, als bereits klar war, dass man die Mörderin wohl niemals festnehmen könnte. Inger Johanne war mit der neugeborenen Ragnhild unterwegs gewesen, als Wencke Bencke ruhig und lächelnd die Morde gestanden hatte. Nicht so, dass es vor Gericht Bestand gehabt hätte, aber deutlich genug für Inger Johanne. Die versteckte Drohung, die die Autorin in der Luft schweben ließ, als sie in der Frühlingssonne weiterschlenderte, war ebenfalls raffiniert, aber doch so klar, dass sie Inger Johanne schreckliche Angst gemacht hatte. Ihre Angst hatte sie erst verlassen, als Bencke einen fünfzehn Jahre jüngeren Maori geheiratet hatte und nach Neuseeland gezogen war. Sie kam nur zu Buchvorstellungen nach Norwegen, und deshalb blätterte Inger Johanne im Herbst immer schnell weiter, wenn sie zu den Literaturseiten in den Zeitungen kam.
    Da.
    Ein Artikel aus Verdens Gang vom September.
    Wencke Bencke im Sonnenschein zwischen Schafen. Sie und ihr Mann hatten eine Farm bei Te Anau gekauft. Im vergangenen Herbst war sie zur Veröffentlichung ihres neuesten Buches nicht nach Norwegen gekommen. Stattdessen hatte Verdens Gang sie besucht.
    » › Hier bin ich jetzt zu Hause ‹ , sagt die berühmte Autorin und zeigt stolz ihre riesige Schafherde. › Ich schreibe hier besser. Ich lebe hier besser. Hier bleibe ich. ‹ «
    Inger Johanne atmete ein wenig leichter.
    Das hier hatte nichts mit Wencke Bencke zu tun.
    Die Angst, die sie jetzt quälte, war am 19. Dezember entstanden, an dem Abend, an dem Marianne Kleive ermordet worden war. Inger Johanne blinzelte und sah die Zahl 19 als grüne schimmernde Zeichnung hinter ihren Lidern.
    Diese verdammte Zahl 19.
    Sie öffnete die Augen wieder und starrte ins Leere.
    Das Telefon klingelte.
    Eva Karin Lysgaard war am 24. Dezember ermordet worden.
    Niclas Winter, über den sie nachts gelesen hatte, war am 27. gestorben.
    Er war gestorben. Es war kein Mord. Er war an einer Überdosis gestorben.
    Das Telefon gab nicht nach. Sie griff danach. Es war Yngvar.
    19, 24, 27.
    Die Quersumme war 25.
    Einem Drogensüchtigen eine Überdosis zu verpassen war eine bekannte Methode, um einen Mord zu tarnen.
    Das Telefon verstummte. Sekunden später klingelte es wieder.
    »Hallo«, sagte sie tonlos, als sie das Gespräch annahm.
    »Hallo. Schatz. Ich sehe, dass du ganz oft angerufen hast. Tut mir leid, dass ich jetzt erst antworten kann. Ich hatte den ganzen Nachmittag Besprechungen. Wir kommen nicht weiter und …«
    »Ist schon gut«, murmelte sie. »Es war nichts Wichtiges.«
    »Ist alles in Ordnung? Du klingst ein bisschen … seltsam.«
    »Nicht doch. Ja, alles ist in Ordnung, Lieber. Ich … war nur eingeschlafen. Das Telefon hat mich geweckt. Ich glaube, ich gehe jetzt ganz einfach ins Bett.«
    »Jetzt schon?«
    »Zu wenig Schlaf. Können wir jetzt einfach aufhören, ich möchte nicht wieder richtig wach werden.«
    »Ja, schon …«
    Seine Enttäuschung war so deutlich, dass sie es sich fast anders überlegt hätte.
    »Dann schlaf gut«, sagte er endlich.
    »Mach’s gut, Lieber. Wir reden morgen weiter, ja? Gute Nacht.«
    Sie saß lange mit dem stummen Telefon in der Hand da. Toni Braxton jammerte in der Stereoanlage »Un-break my heart«. Ein Wagen stand im Leerlauf im Hauges vei. Der Wind hatte offenbar gedreht, denn das ferne Rauschen von Maridalsvei und dem stark befahrenen Ringvei war so deutlich, als hätte jemand im Badezimmer das Wasser laufen lassen.
    Obwohl im Artikel in Dagens Næringsliv nichts über Niclas Winters Veranlagung gestanden hatte, war doch zwischen den Zeilen viel zu lesen gewesen. Der Mann war HIV-positiv. Das konnte am Heroinkonsum, aber auch am unvorsichtigen Sex mit Männern liegen. Die CockPitt- Installation wies jedenfalls in diese Richtung.
    Eva Karin Lysgaard war zwar eine heterosexuelle Frau gewesen, verheiratet und Mutter eines Kindes, hatte sich aber als engagierte Vorkämpferin für die Rechte der Homosexuellen ausgezeichnet.
    Marianne Kleive war mit einer Frau verheiratet gewesen.
    Inger Johanne sprang vom Sofa

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