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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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ihr am entgegengesetzten Strande aussteigt, und plötzlich in das Geräusch und die Neuheit einer andern Welt geschleudert werdet.
    Wenn man zu Lande reist, führt das Ununterbrochene der Gegenden und eine dauernde Folge von Personen und Vorfällen die Geschichte des Lebens fort, und vermindert die Wirkung von Abwesenheit und Trennung. Wir schleppen allerdings »eine sich verlängernde Kette« bei jedem Vorschreiten auf unsrer Pilgerschaft weiter; allein diese Kette ist ununterbrochen: wir können sie Glied um Glied zurückverfolgen und wir fühlen, daß das letzte uns stets an die Heimath fest bindet. Aber eine weite Seereise trennt uns auf einmal. Sie macht uns bewußt, daß wir des sichern Ankergrundes des geregelten Lebens verlustig geworden, und blind in eine ungewisse Welt hinausgeschickt sind. Sie legt eine, nicht bloß eingebildete, sondern wirkliche Kluft zwischen uns und unsere Heimath – eine, Stürmen, Furcht und Ungewißheit preisgegebene Kluft, welche die Entfernung fühlbar, die Rückkehr unsicher macht.
    Das war wenigstens der Fall bei mir. Als ich den letzten blauen Streif meines Geburtslandes wie eine Wolke am Horizonte verbleichen sah, glaubte ich Ein Buch der Welt und dessen, was sie enthält, zugeschlagen, und nun Zeit zum Nachdenken zu haben, ehe ich das andere öffnete. Nebst diesem – welche Veränderungen konnten sich in dem Lande ereignen, das vor meinen Blicken verschwand und welches Alles, was es im Leben Theures für mich gab, in sich schloß, – welche Umwandlungen konnten in mir selbst stattfinden, ehe ich es wieder besuchte! Wer kann, wenn er auf die Wanderschaft auszieht, sagen, wohin er von den ungewissen Fluthen des Daseins getrieben, wann er zurückkehren, oder ob es ihm je beschieden werden möchte, den Schauplatz seiner Kindheit wieder zu besuchen?
    Ich habe gesagt, auf der See sei Alles eine große Leere; ich muß diesen Ausdruck verbessern. Für Einen, der den Träumen am lichten Tage ergeben ist, und sich gern in sich selbst verliert, bietet eine Seereise eine Menge Gegenstände des Nachdenkens dar; aber dann sind es die Wunderwerke des Meeres und der Luft, und das Gemüth wird von den Gegenständen des Weltlebens fast ganz abgezogen. Ich freute mich, über das Geländer des Verdecks mich zu lehnen, oder an einem stillen Tage auf die große Stange zu klettern und stundenlang auf den ruhigen Busen eines Sommer-Meeres hinabzuschauen, die Massen goldener Wolken zu betrachten, die so eben über den Horizont emporstiegen, sie mir als ein Feenreich zu denken und mit Geschöpfen meiner Einbildungskraft zu bevölkern; oder die sanft sich hebenden Wellen zu beobachten, welche ihre Silberkreise dahin rollten, als ob sie an jenen glücklichen Gestaden sich verlieren sollten.
    Es war ein angenehmes, mit Sicherheit und Furcht gemischtes Gefühl, mit welchem ich von meiner schwindelnden Höhe auf die Ungeheuer des Meeres und ihre seltsamen Sprünge niederblickte. Schaaren von Meerschweinen, sich um das Hintertheil des Schiffes tummelnd, der Nordcaper seine gewaltige Masse langsam über die Oberfläche erhebend, oder der raubgierige Hay, wie ein Gespenst durch die blauen Gewässer schießend. Meine Einbildungskraft beschwor Alles herauf, was ich von dem Wasserreiche unter mir gehört oder gelesen hatte: – die beschuppten Heerden, welche seine bodenlosen Tiefen bewohnen; die gestaltlosen Ungeheuer, welche in dem Grunde der Erde hausen, und alle die wilden Gespenster, welche in den Erzählungen der Fischer und Matrosen so vieles Grausen erregen.
    Zuweilen ward auch ein entferntes Segel, am Saume des Meeres dahingleitend, ein Gegenstand müßiger Vermuthungen. Wie anziehend ist dieß Bruchstück einer Welt, das sich an die große Masse des Daseins anzuschließen eilt! Welch ein ruhmvolles Denkmal der menschlichen Erfindung, welche so über Wind und Wellen triumphirt; welche die Enden der Erde mit einander in Verbindung gebracht, und einen Austausch aller Segnungen des Lebens bewirkt hat; welche in die unfruchtbaren Regionen des Nordens alle Ueppigkeit des Südens ausgießt; welche das Licht der Erkenntniß, die Annehmlichkeiten des gebildeten Lebens verbreitet, und so diese zerstreuten Theile des Menschengeschlechts, zwischen welche die Natur eine unübersteigliche Grenze gesetzt zu haben schien, miteinander vereinigt hat.
    Wir entdeckten eines Tages einen gestaltlosen Gegenstand, der in einiger Entfernung dahintrieb. Auf dem Meere erregt Alles, was die Einförmigkeit der Wasserfläche

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