Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
Liverpool spricht man von ihm als von einem Banquier, und man sagte mir, er sei unglücklich in seinen Geschäften gewesen. Ich konnte ihn nicht bedauern, wie ich dieß mehrere reiche Leute thun hörte. Ich betrachtete ihn als weit erhaben über mein Bedauern. Diejenigen, welche nur für die Welt und in der Welt leben, mögen von dem Groll des Mißgeschicks niedergebeugt werden; aber ein Mann wie Roscoe, kann durch die Widerwärtigkeiten des Schicksals nicht gebeugt werden. Diese werden ihn nur auf die Hülfsquellen seines eigenen Geistes zurückweisen, welche die besten Menschen oft im Stande sind zu vernachlässigen, und herumzustreifen, um sich weniger würdige Genossen zu suchen. Er ist von der Welt um ihn her unabhängig. Er lebt im Alterthume und in der Nachwelt; in dem Alterthume durch die angenehme Gemeinschaft, welche eine geistig thätige Zurückgezogenheit gewährt, und in der Nachwelt, durch das großherzige Streben nach künftigem Ruhme. Die Einsamkeit eines solchen Gemüths ist der Zustand höchsten Genusses: es verkehrt dann mit jenen erhabenen Betrachtungen, welche die wahre Nahrung edler Seelen sind, und die, wie Manna, vom Himmel gesendet, in der Wüste dieser Welt erscheinen.
Während meine Gefühle noch durch diesen Gegenstand erregt waren, hatte ich das Glück, auf fernere Spuren von Herrn Roscoe zu treffen. Ich war mit einem Herrn hinausgeritten, die Umgebungen von Liverpool zu besehen, als dieser auf einmal durch ein Thor, in einen künstlich angelegten Garten ablenkte. Nachdem wir eine kleine Strecke geritten waren, kamen wir an ein geräumiges Wohnhaus von Sandstein, in griechischem Style erbaut. Der Geschmack war nicht der reinste; allein es hatte ein Ansehen von Zierlichkeit und die Lage war lieblich. Ein schöner Rasen senkte sich abwärts, mit Baumgruppen bepflanzt, die so angeordnet waren, daß sie eine angenehme, fruchtbare Gegend in viele abwechselnde Landschaftsgemälde theilten. Man sah den Mersey, seine breite ruhige Wasserfläche durch einen großen Wiesengrund winden, während die Walisischen Berge, ihre Häupter in den Wolken bergend und sich in der Entfernung verlierend, den Horizont begrenzten.
Dies war Roscoe’s Lieblingsaufenthalt in den Tagen seines Glücks. Es war der Sitz verfeinerter Gastfreiheit und literarischer Zurückgezogenheit gewesen. Das Haus war jetzt öde und verlassen. Ich sah die Fenster des Studirzimmers, welche auf die angenehme eben erwähnte Landschaft hinausgingen. Die Fenster waren geschlossen, die Bibliothek war verschwunden. Zwei oder drei unglückliche Geschöpfe schlenderten um die Gegend, meine Einbildungskraft stellte sie mir als Gerichtsdiener vor. Es war, wie der Besuch einer klassischen Quelle, welche einst ihr reines Wasser in heiligem Schatten dahingoß, die aber jetzt trocken und versandet war, und wo die Eidechse und die Kröte auf den zerstreuten Marmorblöcken umherkrochen.
Ich erkundigte mich nach dem Schicksale der Bibliothek des Herrn Roscoe, welche aus seltenen und fremden Büchern bestanden hatte, aus denen er vielfach die Materialien zu seinen italienischen Geschichtsbüchern gezogen. Sie war unter den Hammer des Auctionators gekommen, und im Lande umher zerstreut. Die guten Leute aus der Umgegend waren wie die Strandbewohner zusammengeströmt, um irgend etwas von dem herrlichen Schiff zu bekommen, das auf den Strand getrieben worden war. Wenn solch eine Scene scherzhafte Ideenverbindungen zuließe, so möchten wir in diesem seltsamen Einbruch in die Gebiete der Gelehrsamkeit etwas Spaßhaftes finden. Man möchte sich Zwerge denken, welche die Rüstung eines Riesen umherschleppen, und um den Besitz von Waffen streiten, welche sie doch nicht handhaben können. Wir können uns einen Haufen von Spekulanten denken, welche mit tiefberechnender Miene sich über den eigenthümlichen Band und die illuminirten Ränder der Ausgabe irgend eines veralteten Schriftstellers berathschlagen, – wo sich der angestrengte, aber getäuschte Scharfsinn zeigt, mit welchem irgend ein glücklicher Käufer sich in das mit gothischen Lettern gedruckte Buch vertieft, das er sich so eben zugeeignet hat.
Es ist ein schöner Theil in der Geschichte der Unfälle des Herrn Roscoe, der ein sinniges Gemüth theilnehmend ansprechen muß, daß die Trennung von seinen Büchern seine zartesten Gefühle ergriffen zu haben, und der einzige Umstand gewesen zu sein scheint, welcher seine Muse begeistern konnte. Der Gelehrte allein weiß, wie theuer diese stummen und
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