Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
Miene anzunehmen; denn er konnte es nicht über sich vermögen, sie mit der Nachricht von dem Vorgefallenen niederzuschmettern. Sie sah jedoch mit dem durchdringenden Blick der Liebe, daß nicht Alles war, wie es sein sollte. Sie bemerkte sein verändertes Aussehen und seine unterdrückten Seufzer, und seine krankhaften und nichtigen Versuche, Fröhlichkeit zu heucheln, konnten sie nicht täuschen. Sie bot ihre ganze Munterkeit, alle ihre zärtlichen Schmeicheleien auf, ihn dem Glücke wieder zu gewinnen; allein sie drückte dadurch den Pfeil nur desto tiefer in seine Seele. Je mehr er Ursache sah, sie zu lieben, desto quälender ward ihm der Gedanke, sie unglücklich zu machen. Nur noch wenige Zeit, dachte er, und das Lächeln wird von dieser Wange verschwinden – der Gesang wird von diesen Lippen wegsterben – der Glanz dieser Augen vom Gram verlöscht werden – und das fröhliche Herz, welches jetzt in diesem Busen leicht schlägt, wird von den Sorgen und dem Elende der Welt, wie das meinige, niedergedrückt werden.
Endlich kam er eines Tages zu mir, und erzählte mir seine ganze Lage im Tone der tiefsten Verzweiflung. Als ich ihn angehört hatte, fragte ich ihn: »Weiß Eure Gattin um alles dieses?« – Bei dieser Frage brach er in einen Thränenstrom aus. »Ums Himmelswillen,« rief er, »wenn Ihr nur einiges Mitleid mit mir habt, so erwähnet meines Weibes nicht; der Gedanke an sie bringt mich beinahe zum Wahnsinn!«
»Und warum?« erwiederte ich. »Sie muß es früher oder später erfahren, und diese Nachricht kann sie auf eine schrecklichere Weise treffen, als wenn Ihr selbst ihr dieselbe mittheilt; denn die Töne Derer, die wir lieben, mildern die unangenehmsten Botschaften. Außerdem beraubt Ihr Euch des Trostes ihrer Theilnahme; und nicht allein das, Ihr könnt so das einzige Band zerreißen, das Herzen an einander fesseln kann – eine rückhaltslose Gemeinschaft von Gedanken und Gefühlen. Sie wird es bald bemerken, daß etwas insgeheim an Euerm Herzen nagt; und wahre Liebe duldet keine Zurückhaltung; sie fühlt sich zurückgesetzt und gekränkt, selbst wenn der Kummer Derjenigen, die sie liebt, ihr verhehlt wird.«
»Ach, mein Freund! bedenkt, welch ein Schlag alle ihre künftigen Aussichten dadurch trifft – wie ich ihre Seele zu Boden schmettern muß, wenn ich ihr sage, daß ihr Gatte ein Bettler ist! daß sie alle feineren Genüsse des Lebens – alle Freuden der Gesellschaft verlieren – mit mir in Dürftigkeit und Dunkel sich zurückziehen muß. Ihr sagen zu müssen, daß ich sie aus der Sphäre herabgezogen habe, in der sie sich hätte in beständigem Glanze fortbewegen können – das Licht jedes Auges – die Bewunderung eines jeden Herzens! – Wie kann sie die Armuth ertragen? sie ist in allen Bequemlichkeiten des Reichthums aufgewachsen. Wie kann sie Zurücksetzung ertragen? sie war der Abgott der Gesellschaft. O! es wird ihr Herz brechen – es wird ihr Herz brechen!«
Ich sah, daß sein Schmerz beredt ward, und ließ ihn sich aussprechen; denn der Kummer erleichtert sich durch Worte. Als sein Paroxysmus sich gelegt hatte, und er in düsteres Schweigen zurückgefallen war, nahm ich die Unterhaltung unvermerkt wieder auf, und drang in ihn, seinem Weibe auf einmal seine Lage zu eröffnen. Er schüttelte traurig, aber entschieden den Kopf.
»Aber, wie wollt Ihr es vor ihr verbergen? Es ist nothwendig, daß sie es erfahre, damit Ihr die gehörigen Schritte thun könnet, Eure Verhältnisse zu ändern. Ihr müsset eine andere Lebensart beginnen – nein,« – ich sah, daß ein Zug der Trauer über sein Gesicht streifte – »laßt Euch das nicht betrüben. Ich bin überzeugt, Ihr habt nie Euer Glück in den äußeren Schein gesetzt. – Ihr habt noch Freunde, welche deswegen nicht schlimmer von Euch denken werden, weil Ihr eine weniger glänzende Wohnung habt: und in der That es bedarf keines Palastes, um mit Maria glücklich zu sein.«
»Ich könnte mit ihr,« rief er krampfhaft aus, »in einer Hütte glücklich sein! – Ich könnte mit ihr mich zur Armuth und in den Staub erniedrigen! – Ich könnte – ich könnte – der Himmel segne sie! der Himmel segne sie!« – rief er, sich dem Ausbruche des Schmerzes und der Zärtlichkeit überlassend.
»Und glaubt mir, mein Freund,« sagte ich, indem ich aufstand und ihn herzlich bei der Hand nahm: »glaubt mir, sie wird eben so mit Euch leben können. Ja, noch mehr: es wird dieß für sie eine Quelle des Stolzes und des Triumphs sein
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