Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
müssen uns sogleich für unsern lieben Francisco einsetzen. Und wir werden es. Die Doppelhochzeit im Königshaus soll mit noch nie gesehenem Glanze gefeiert werden. Die Stadt Barcelona soll ein einziger Festplatz sein. Und weißt du, wen ich für die Oberleitung der Festlichkeiten vorschlagen werde? Francisco Goya. Hat nicht bei einem ähnlichen Anlaß Philipp der Große den Velázquez durch einen ähnlichen Auftrag ausgezeichnet?« Er belebte sich immer mehr. »Gib zu, ich habe das Richtige getroffen. Wir zeigen auf diese Art dem ganzen Reich, wie hoch Francisco bei den Katholischen Majestäten in Gunst steht. Schon morgen spreche ich mit Doña María Luisa. Und dann wollen wir sehen, ob es Reynoso wagen wird, unsern Goya noch weiter zu behelligen.«
Miguel rühmte in vielen Worten den glücklichen Einfall des Infanten. Er fürchte nur, fuhr er fort, auch die höchste Ehrung genüge nicht, den fanatischen Haß des Großinquisitors abzuschrecken. Es müßten Maßnahmen getroffen werden, welche mit den Caprichos unmittelbar zusammenhingen. Es müsse gewissermaßen um die Caprichos eine unübersteiglicheMauer errichtet werden. Und wiewohl Manuel verdrossen das Gesicht verzog, ließ Miguel nicht ab. »Wie wäre es«, führte er aus, »wenn unser Freund Francisco den Majestäten anläßlich der glücklichen Doppelhochzeit ein Präsent überreichte? Und wenn er für dieses Präsent die Platten der Caprichos wählte? So also, daß in Zukunft die Kunstdruckerei des Königs die Caprichos herstellte und herausgäbe?«
Der überraschte Manuel fand nicht sogleich eine Antwort. Er hatte das Widmungsexemplar der Caprichos, das ihm Francisco übersandt hatte, nur flüchtig durchgesehen. Es war ihm ein schattenhafter Argwohn aufgestiegen, da und dort ziele Goyas Frechheit auf ihn selber; doch bevor sich diese Ahnung verdichtete, hatte das Gefühl seines Glückes und seiner Bedeutung sie weggeschwemmt. Über die Karikaturen Doña María Luisas hatte der Infant geschmunzelt, ohne sich darüber Gedanken zu machen. Das Werk als Ganzes war ihm als ein Künstlerscherz erschienen, reichlich arrogant, doch im Grunde harmlos.
Nun ihm Miguel seinen kühnen Vorschlag machte, spürte er von neuem jenen kleinen Argwohn; auch besorgte er, María Luisa könnte, so geradezu auf die Caprichos hingewiesen, unangenehm werden. Aus Gründen jedoch, über die er sich nicht klar wurde, hielt er diesen Einwand zurück. Statt dessen fragte er nach kurzem Schweigen: »Wie stellst du dir das vor? Die Caprichos sind doch schon erschienen, sie sind gewissermaßen entjungfert. Kann man dem König dergleichen als Geschenk anbieten? Sind denn die Platten überhaupt noch was wert, nachdem die Zeichnungen schon auf dem Markt sind? Doña María Luisa ist eine gute Rechnerin. Wird sie ein solches Präsent nicht für beleidigend schäbig halten?«
Don Miguel war auf diesen Einwand vorbereitet. »Señor Frágola«, antwortete er, »hat aus Furcht vor der Inquisition schon nach wenigen Tagen den Verkauf eingestellt. Es sind, soweit ich unterrichtet bin, noch keine 200 Exemplare im Publikum. Herstellen lassen sich von den Platten 5000 bis 6000 Drucke, das Interesse ist ungeheuer, verlangen kannman für das Exemplar eine Unze Goldes. Sie sehen, Don Manuel, das Geschenk, welches Señor de Goya den Katholischen Königen anbietet, ist des großen Anlasses würdig.«
Don Manuel, im stillen, rechnete. Fand aus: 1 500 000 Realen. Pfiff durch die Zähne.
»Eher«, fuhr Miguel lächelnd fort, »wird sich die Königin fragen, warum Goya ihr ein so außerordentlich kostbares Geschenk macht, und erraten, daß er sich vor dem Heiligen Offizium schützen will. Aber das wird ihr das Geschenk nur wertvoller machen; sicherlich ist sie nicht abgeneigt, dem Großinquisitor einen Streich zu spielen.«
»Deine Argumente lassen sich hören«, meinte der Infant. »Aber« – und nun mußte er doch wohl mit seinem wahren Bedenken herausrücken – »wenn ich mich recht erinnere, sind da gewisse Blätter, die Doña María Luisa kaum gefallen werden. Die Königin ist zuweilen sehr empfindlich.«
Don Miguel, auch auf diesen Einwand vorbereitet, antwortete ohne Zögern: »Die Königin bedenkt sicherlich selber, daß man sich nicht erdreisten würde, ihr das Werk anzubieten, wenn sich gewisse Blätter auf sie bezögen. Und wenn gar die Königin selber das Werk veröffentlicht, dann wird bestimmt niemand auf die Idee kommen, die gewissen Blätter auf sie zu deuten.«
Das leuchtete Manuel
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