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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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dem Neuaufbau beginnen, weil die Zweifel immer weiternagten.
    Und das taten sie in mir wohl immer noch.
    So gern ich diesen Aspekt meines Lebens auch für mich behalten hätte, hatte ich doch keine Chance, weil er immer wieder von den Medien in die Öffentlichkeit gezerrt wurde. Selbst bei der oberflächlichsten Google-Suche wäre mein Name sofort in Verbindung mit dem Geheimnis der ermordeten und vermissten Jugendlichen aus dem Ferien-Camp ganz oben auf der Liste der Suchergebnisse erschienen. Der Fall wurde auch immer mal wieder im Zuge der »Real Crime«-Programme im Discovery Channel oder bei Court-TV aufgegriffen. Ich war in jener Nacht im Wald dabei gewesen. Mein Name war unausweichlich mit dieser Sache verbunden. Und damals war ich auch von der Polizei vernommen worden. Eine Zeit lang hatte ich sogar zu den Verdächtigen gehört.
    Also mussten sie das wissen.
    Ich zog es vor, die Frage nicht zu beantworten. York und Dillon hakten nicht nach.
    Im Leichenschauhaus führten sie mich dann einen langen Flur entlang. Niemand sagte etwas. Ich wusste nicht, wie ich
mich verhalten sollte. York hatte natürlich Recht gehabt. Ich stand auf der anderen Seite. Oft genug hatte ich Zeugen einen solchen Flur entlanggehen sehen. Ich kannte alle erdenklichen Reaktionen im Leichenschauhaus. Die meisten Zeugen gaben sich anfangs unerschütterlich. Warum, weiß ich nicht. Wollten sie sich auf die schreckliche Gewissheit vorbereiten? Oder hatten sie vielleicht noch ein Fünkchen Hoffnung? Wieder dieses Wort. Ich weiß es nicht. Egal, die Hoffnung schwand sofort. Bei der Identifikation von Toten machten wir keine Fehler. Wenn wir glaubten, dass es sich um Ihren Liebsten handelte, dann war er es auch. Im Leichenschauhaus gab es keine Wunder in letzter Sekunde. Niemals.
    Ich wusste, dass York und Dillon mich beobachteten und neugierig auf meine Reaktion waren. Ich versuchte, meinen Schritt, meine Haltung und meinen Gesichtsausdruck unter Kontrolle zu halten. Ich wollte in jeder Beziehung neutral wirken. Dann fing ich an zu überlegen, was das sollte.
    Sie führten mich an ein Fenster. Man betritt den Raum, in dem die Leichen aufgebahrt sind, nicht, man bleibt hinter einer Glasscheibe. Der Raum hinter dieser Scheibe war gefliest, damit man ihn leichter ausspülen konnte – eine schicke Einrichtung oder teure Reinigungsgeräte wären Verschwendung gewesen. Bis auf eine waren die fahrbaren Bahren leer. Die Leiche, die darauf lag, war mit einem Laken bedeckt, so dass nur der große Zeh mit dem Schildchen herausragte. Diese Schildchen benutzen die wirklich. Ich betrachtete den freiliegenden großen Zeh eingehend – er kam mir völlig unbekannt vor. Genau das dachte ich in diesem Moment. Ich dachte, ich erkenne den großen Zeh des Mannes nicht.
    Das Gehirn macht seltsame Dinge, wenn man unter Stress steht.
    Eine Frau mit einer Maske schob die Bahre näher ans Fenster heran. Mir kam ausgerechnet die Geburt meiner Tochter in den
Sinn. Ich dachte an die Neugeborenenstation. Das Fenster dort war fast genau wie dieses hier gewesen, mit diesen schrägen Karomustern. Die Krankenschwester, die ungefähr so groß war wie die Frau im Leichenschauhaus, hatte den kleinen Wagen mit meiner Tochter darin ans Fenster gerollt. Es war genau wie hier abgelaufen. Normalerweise hätte ich darin wohl etwas Tiefsinniges gesehen, mir Gedanken über den Anfang und das Ende des Lebens gemacht, heute tat ich das jedoch nicht.
    Sie hob das obere Teil des Lakens an und klappte es zurück. Ich betrachtete das Gesicht. Alle sahen mich an. Das wusste ich. Der Tote war ungefähr in meinem Alter. Ungefähr Mitte dreißig. Er trug einen Bart. Sein Kopf schien rasiert zu sein. Er trug eine Duschhaube. Die Duschhaube sah ziemlich albern aus, aber ich wusste, warum sie da war.
    »Kopfschuss?«, fragte ich.
    »Ja.«
    »Wie viele?«
    »Zwei.«
    »Kaliber?«
    York räusperte sich, als wollte er mich daran erinnern, dass es nicht mein Fall war. »Kennen Sie ihn?«
    Ich sah ihn noch einmal an. »Nein«, sagte ich.
    »Sind Sie sicher?«
    Ich wollte nicken, aber etwas hielt mich davon ab .
    »Was ist?«, fragte York.
    »Warum bin ich hier?«
    »Wir wollten wissen, ob Sie diesen Mann …«
    »Klar, aber wie kommen Sie drauf, dass ich ihn kennen könnte?«
    Ich drehte mich um und sah, wie York und Dillon sich anguckten. Dillon zuckte die Achseln, und York wandte sich wieder an mich. »Er hatte Ihre Adresse in der Tasche«, sagte York. »Und ein paar Zeitungsausschnitte, in denen

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