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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yang Jisheng
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Untersuchungen. Ein halbes Jahr lang ging es drunter und drüber, viel Arbeitskraft, Material und Geld wurden aufgewandt, zwei »Tatverdächtige« wurden in den Tod getrieben, doch am Ende kam bei alledem nichts heraus, die Sache blieb unaufgeklärt. Zeng Xisheng rügte seine Kriminalbeamten mit den Worten: »Wir ernähren euch, aber wir hätten uns besser einen Hund zugelegt.«
    Wenn die Führung mit jemandem nicht zufrieden war, konnte sie ihn ins Gefängnis schicken. Sie musste sich an keinerlei Ordnung halten, viele wurden eingesperrt und verurteilt ohne Beweis für ihre Schuld. Manch einer starb nach seiner Verhaftung, ohne dass man gewusst hätte, wie sein Name war; über manch einen gab es nicht einmal eine Akte, er wurde einfach wahllos auf eine Umerziehungsfarm geschickt, wo er schwarz in einem schwarzen Haushalt lebte. [338]  
    Deckel zu und Deckel auf
    Wie viele Menschen sind nun eigentlich während der dreijährigen Hungersnot verhungert? Nach dem Zahlenmaterial von Die Bevölkerung Chinas – Teilband Anhui [339]   kommt der Verfasser auf 2,2628 Millionen Menschen. Der daraus resultierende Rückgang der Geburten belief sich auf 2,4306 Millionen. Da das hier verwendete Zahlenmaterial aus amtlichen Quellen kommt, sind die Zahlen offensichtlich zu niedrig.
    Im Mai 1961 hat Li Jian von einer Untersuchungsgruppe des Kontrollkomitees des Zentralkomitees einen Bericht verfasst, in dem es heißt, in Anhui seien drei Millionen Menschen verhungert. Im Frühjahr 2001 hat Li Jian mir erzählt, der Leiter der Organisationsabteilung des Zentralkomitees An Ziwen, der während der Kulturrevolution über Jahre in die ländlichen Gebiete von Anhui verschickt war, habe dort Untersuchungen durchgeführt und nach seinen Angaben seien fünf Millionen Menschen verhungert. [340]  
    Cao Shuji kommt mit seiner eigenen Berechnungsmethode auf 6,306 Millionen Menschen, die in Anhui eines nicht natürlichen Todes gestorben sind; das sind 18,3 Prozent der Gesamtbevölkerung vor der Hungersnot. [341]  
    Der ehemalige stellvertretende Leiter des Ständigen Ausschusses des Amtes für Öffentliche Sicherheit der Provinz Anhui Yin Shusheng spricht in einem in der Zeitschrift Frühlings- und Herbstannalen von Yan und Huang veröffentlichten Aufsatz davon, dass über vier Millionen Tote aktenkundig seien; es handele sich dabei nicht um eine Schätzung. [342]  
    Damals hat der Bevölkerungsforscher Wang Weizhi, der seinerzeit im dritten Büro des Amtes für Öffentliche Sicherheit (das für die Bevölkerungsstatistiken zuständig war) arbeitete, die Zahlen, die die Provinz nach oben meldete, analysiert. Er ist der Auffassung, dass in den drei Jahren, um die es geht, über 15 Prozent der Gesamtbevölkerung gestorben sind, und führt als Beweis die fünf Millionen Toten an, von denen An Ziwen spricht.
    In den »Hungerjahren« gingen die Fälle von Kannibalismus in Anhui in die Tausende. Im April 1961 hat das Amt für Öffentliche Sicherheit an das Provinzkomitee einen Brief geschrieben, in dem es heißt: »Insgesamt ist es zu nahezu 1300 [›speziellen Fällen‹] gekommen, die absolute Mehrzahl zwischen Winter 1959 und Frühjahr 1960. […] Dabei wurde in 36 Fällen Fleisch weiterverkauft, in den restlichen selbst verzehrt.« [343]  
    Über den Hunger in der Provinz Anhui ist von Zeng Xisheng immer der Deckel gehalten worden, nie hat er nach oben davon berichtet. Mao Zedong hat ihm sehr vertraut, hat ihm zusätzlich noch das Amt eines Provinzkomiteesekretärs von Shandong anvertraut, um von Shangdong den Deckel zu nehmen. Die Militärangehörigen, Studenten und Kader, die auswärts gearbeitet hatten und nach Anhui zurückkehrten, um nach ihren Angehörigen zu suchen, mussten feststellen, dass ein Großteil von ihnen verhungert war, und es gab eine Flut von Briefen an das Zentralkomitee. Aber die Absender dieser Briefe wurden wieder verfolgt.
    Am 13. März 1960 hat das Ministerium für Handel und Finanzen, das auch für Nahrungsmittel zuständig war, in einem Bericht an das Provinzkomitee die Briefe des Volkes über den Hunger völlig verdreht. Lesen Sie selbst:
»Wenn man sich die schiere Zahl der Briefe aus dem Volk anschaut, dann sind es im Januar und Februar im Vergleich zum Vorjahr mehr geworden. Im Januar sind 182, im Februar 283 bei uns angekommen, das macht 476, im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 187. […] Von den 31 Briefen, die bislang untersucht wurden, ist der Inhalt von acht Briefen in Teilen richtig, von

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