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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yang Jisheng
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einen Plan, demzufolge im Winter und dem anschließenden Frühling 800 Millionen Kubikmeter bewegt werden sollten. Die Anhui ribao schrieb damals in einem Artikel: »… man kann Himmel und Erde bewegen, man kann Berge versetzen und Meere.«
    Die so genannten »Fünf Winde« bestanden in einer entschädigungslosen und zwangsweisen Umwandlung der Vermögen von Privatleuten und Kleinkollektiven in Großkollektivvermögen durch die Basiskader in den ländlichen Gebieten. Mao Zedong hat durch seine Rede über das allgemeine Bereitstellungssystem in Anhui zweifelsohne diesem Wind weitere Energien zugeführt.
    Als 1959 in Bengbu in großem Stil regionale Werkzeugmaschinen gebaut wurden, fehlte es an Rohstoffen. Also ließ man die Kommunemitglieder von zu Hause Türen, Türrahmen, Bänke, ja sogar Särge heranschaffen, um daraus die Gestelle für die Maschinen zu machen. Doch die hergestellten Maschinen waren samt und sonders Ausschuss.
    Im Frühjahr 1960 wies das Stadtkomitee von Bengbu darauf hin, dass in den Vorstadtgebieten fünf Volkskommunen eine Schweinefarm mit 150000 Stück Vieh aufgebaut hätten. Jedes Produktionsteam war mit 100 Schweinen dabei – das gleiche müsse nun erreicht werden für Hühner und für Enten. Dafür wurden die Kommunemitglieder gezwungen, die Schweine, Schafe, Hühner und Enten, die sie zu Hause hielten, abzuliefern, und sie wurden gezwungen umzuziehen, ihre Häuser abzureißen und mit dem Material Schweineställe zu bauen. Das Resultat war, dass die so an einem Platz konzentrierten Schweine, Schafe, Hühner und Enten in Massen eingingen, einige wurden allerdings auch von einer Minderheit der Kader heimlich gefressen oder verkauft. [331]  
    Wer die Augen aufmachte, konnte mit einem Blick erkennen, dass die Produktionsmengen an Getreide und die Stückzahl von Schafen und Schweinen, von denen der Bericht der Renmin ribao über die Aktivitäten Mao Zedongs in Anhui sprach, übertrieben waren. Zeng Xisheng hat sehenden Auges Mao Zedong etwas vorgelogen, was von diesem auch noch gebilligt wurde. Dass diese Lügen dann auch noch in der Renmin ribao veröffentlicht wurden, war für die Kader in den verschiedenen Gebieten natürlich ein sehr ungutes Beispiel. Für die Gebiete und Kreise waren unter dem Druck der Provinzkomitees Lügen nichts Besonderes mehr.
    Im März 1961 sagte der Sekretär des Stadtkomitees von Bengbu Cheng Guanghua in Bezug auf diese Mode gewordenen Übertreibungen:
»Dass sich unsere Stadt blind an die Spitze dieses modischen Windes stellt, ist sehr schlimm, nicht einmal vor Lügen wird zurückgeschreckt. Als wir 1958 sahen, wie in anderen Gebieten ›Satelliten‹ der Hochproduktion an Getreide gestartet wurden, haben wir so getan, als hätten wir in unseren Vorstadtgebieten auch ein solches ›Satellitenfeld‹. Wir haben die Reissetzlinge von dreieinhalb Mu auf ein Reisfeld von nicht einmal vier Quadratmetern Fläche verpflanzt. In Wahrheit haben wir nur 200 Pfund pro Mu produziert, aber wir haben das auf 11000 Pfund aufgeblasen, Fotos davon gemacht, eine Vor-Ort-Versammlung veranstaltet und das ganze in die Gazetten gebracht. […] Wir haben getönt, ›was die anderen haben, wollen wir auch haben, was die anderen nicht haben, wollen wir auch‹. Die Organisationskader haben alle möglichen Zeitungen durchforstet auf der Suche nach frischen Berichten. Kader wurden für ein ganzes Jahr ausgeschickt, um außerhalb Erfahrungen zu sammeln. ›Der Fortschritt schläft nicht‹ hieß es. Wenn wir Wind hörten, war es Regen, wenn wir neue Nachrichten aus anderen Gebieten sahen, haben wir sie nicht analysiert, nicht gefragt, ob wir das brauchen, wir sind blind hinterhergerannt und haben damit diesen schlimmen Wind der Übertreibungen erst geschaffen.« [332]  
    Und da die Produktionszahlen beim Getreide so hoch waren, wurden auch die Ankaufquoten entsprechend hoch. In Wirklichkeit war es allerdings so, dass die Produktionszahlen für Getreide zwischen 1959 und 1961 kontinuierlich fielen.
Tab. 4.1  
Die Getreidesituation in Anhui 1959 – 1961
 
 
 
 1957
 
 1958
 
 1959
 
 1960
 
 1961
 
Menge (in  100 Millionen Pfund)
 
Rohgetreide 
 
 204,00
 
 184,00
 
 147,00
 
 150,48
 
 121,75
 
Marktgetreide 
 
 177,39
 
 160,00
 
 127,82
 
 130,85
 
 105,87
 
Ankauf 
 
 68,42
 
 58,47
 
 57,09
 
 35,06
 
 25,68
 
Rückverkauf 
 
 40,95
 
 59,10
 
 50,67
 
 32,44
 
 23,16
 
Bereinigter

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