Granger Ann - Varady - 01
die Bewohner vertrieben. Schade, die Gegend war besser als die, aus
der wir kamen. Wir gingen nach Camden Lock und alberten
herum und trafen ein paar Leute, die wir kannten und die
wir fragen konnten.
Squib war mit seinem Hund hinauf nach West gegangen.
Er hatte seine Kreide und eine Ansichtskarte von El Grecos Himmelfahrt der Jungfrau Maria mitgenommen und suchte
wahrscheinlich nach einer geeigneten Stelle auf einem Bürgersteig. Er konnte es sich nicht leisten, Zeit zu verschwenden, wegen des schlechter werdenden Wetters.
Terry hatte nicht gesagt, womit sie den Tag verbringen
würde, und wir hatten sie nicht gefragt. Ich schätze, keiner
von uns erwartete, dass sie etwas Nützliches machen würde,
beispielsweise eine neue Behausung für uns finden.
Vermutlich sollte ich nicht so schlecht über jemanden reden, der tot ist. So etwas macht man nicht. Man sagt nette
Dinge über die Toten, oder sie kommen zurück und verfolgen einen. Ich weiß, dass es so ist, weil Terry mich verfolgt
hat. Wahrscheinlich wegen all der bösen Dinge, die ich über
ihre Zeit bei uns gesagt habe, ganz zu schweigen von dem,
was ich nach … nun ja, was ich nach dem, was passiert ist,
gesagt habe.
Zurück zum Montag. Nev und ich kehrten recht spät aus
Camden zurück. Ein paar Leute hatten uns zum Essen eingeladen. Sie waren Vegetarier, genau wie Nev, deswegen gab
es nur Bohnen, aber es schmeckte trotzdem, heiß und schön
scharf, auch wenn ich wusste, dass ich später dafür würde
bezahlen müssen.
Als wir zurückkamen, war im Haus alles still. Es war
dunkel, weil sie uns den Strom abgestellt hatten. Wir benutzten Kerzen. Doch abgesehen von der Leere und dem
gewohnten Gestank nach Trockenfäule war da noch etwas
anderes. Es war irgendetwas Fremdes, ein Eindruck, ein undefinierbares Gefühl. Ich wusste gleich, ich wusste einfach,
dass jemand im Haus gewesen war, der nicht zu uns gehörte. Ein Fremder. Ein komplett Fremder, jemand, der überhaupt nicht in unseren Kreis gehörte und auch niemand
von der Stadt. Außerdem lag ein schwacher Duft nach Parfüm in der Luft, irgendein Eau de Cologne. Ich hab mal in
einem Drogeriemarkt gearbeitet. Ich kenne Eaux de Cologne. Ich kann teure von billigen unterscheiden. Was ich
da im Haus roch, das war ein teures. Eins von der Sorte, die
sich in der Weihnachtszeit gut verkauft.
Diese Duftspur hier in unserem Flur machte mich wütend. Ich dachte, dass Terry wahrscheinlich schon wieder
auf Diebestour gewesen sei. Ich hatte ihr jedes Mal gesagt,
dass sie es lassen solle. Möglich auch, dass sie mehr Geld
hatte, als sie vor uns zugab, und sich das Zeug einfach kaufte. Diese Eaux de Cologne riechen offen gestanden an einer
Frau besser als an einem Mann, meiner Meinung nach. Jedenfalls, wenn Terry Geld hatte, dann redete sie nicht darüber. Sie gab es für irgendwelchen Plunder aus oder für
Hochglanzmagazine, die Sorte, in der gezeigt wurde, wie
man aus seiner Doppelhaushälfte etwas machte, das Sendezeit bei Hello! bekommen könnte. Und das zu einer Zeit, da
wir Eimer unter das Loch im Dach stellten und von nichts
als Brot und Billigmargarine lebten.
Ich erwähnte den Parfümgeruch gegenüber Nev, doch er
meinte, er könne nichts riechen, weil die Trockenfäule alles
überdecke. Das andere Gefühl, dass jemand Fremdes, ein
Außenstehender, im Haus gewesen sein könnte, behielt ich
für mich. Es war nicht einfach zu erklären. Lucy hatte es mit
dem Paranormalen gehabt, und sie hätte wahrscheinlich gesagt, dass ich ein natürliches Medium sei. Ich glaube nicht
an diese Art von Hokuspokus. Denke ich jedenfalls. Hätte
ich in jenem Augenblick erklären müssen, was ich fühlte, so
kann ich im Nachhinein nur sagen, wahrscheinlich die Gefahr gespürt zu haben. Wäre ich ein Höhlenmensch gewesen, hätte wohl draußen vor dem Eingang ein großes
Mammut gelauert. Nur, dass es in unserem Fall nicht draußen vor dem Eingang war, sondern drinnen bei uns.
Wir gingen in das Wohnzimmer und zündeten das Kaminfeuer wieder an, denn es war kalt geworden. Keiner von
uns sagte ein Wort, doch wir beide dachten, dass es nächste
Woche ein gutes Stück kälter sein würde – und die Chancen
standen nicht schlecht, dass wir im Freien schlafen mussten,
bis wir ein neues Haus gefunden hatten, wo wir bleiben
konnten.
Nach einer Weile kam auch Squib mit dem Hund nach
Hause; er hatte vier Dosen Lager mitgebracht und außerdem ein Paket Würstchen, die er über dem Feuer grillte. Eine
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