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Granger Ann - Varady - 01

Titel: Granger Ann - Varady - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nur der Tod ist ohne Makel
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ihm, er hätte sie dazu getrieben!«
»Halt die Klappe, Squib!«, herrschte ich ihn an. Ich musste nachdenken. Niemand außer mir würde auf einen konstruktiven Gedanken kommen. Es hing wieder einmal alles
an mir, wie üblich. Squib wollte in blinder Panik davonlaufen, und Nev hing über dem Lokus und kotzte, und das war
wahrscheinlich auch schon alles, was die beiden beizutragen
hatten. Sich um Nev und Squib zu kümmern war manchmal, als würde man auf Kinder aufpassen. Man musste alles
Denken für sie mit übernehmen und ständig hinterher sein,
was sie gerade wieder anstellten.
Nev kehrte vom Lokus zurück. Er sah immer noch todelend aus, doch er versuchte sich zusammenzureißen. »Sollten wir … sollten wir sie nicht runterholen?« Seine Stimme
war nur ein Flüstern und brach beim letzten Wort. »Wir
sollten sie nicht so da hängen lassen. Das ist obszön.«
Es war obszön, er hatte Recht. Doch wir konnten sie nicht
runterholen. Wir durften nichts anfassen. Ich erklärte es allen beiden mit Nachdruck.
Squib wirkte erleichtert. Er drängte sich nicht danach, die
Tote zu berühren. Nev hingegen reagierte mit einem Ausruf
der Bestürzung.
»Wir können sie nicht hängen lassen!« Seine Stimme
klang wie von einem Computer produziert. Die Geräusche
waren da, bildeten die richtigen Worte, doch sie klangen
nicht menschlich.
Unvermittelt sprang er vor, und ohne dass ich etwas dagegen hätte unternehmen können, packte er ihre Beine. Ich
weiß nicht, was er vorhatte. Vielleicht wollte er sie ohne unsere Hilfe vom Haken nehmen. Doch im gleichen Augenblick, in dem er sie berührte, taumelte er auch schon wieder
entsetzt zurück und stieß einen erstickten Schrei aus.
»Sie ist ganz steif …!«
Der Leichnam, von Nevs ungeschicktem Versuch in
Schwingung versetzt, begann an der Hundeleine zu rotieren
wie ein groteskes Mobile. Ich sah hinauf zum Deckenhaken.
Er würde nicht mehr viel länger halten, so viel stand fest. Erstaunlich, dass er überhaupt bis jetzt gehalten hatte. Die Leiche würde jeden Augenblick herunterkrachen, auch ohne
unser Zutun, erst recht, nachdem sie jetzt in Bewegung geraten war.
Doch die Starre, falls Nev sich nicht getäuscht hatte,
brachte mich zum Nachdenken. Ich kannte mich nicht allzu
genau mit Leichenstarre aus, doch ich wusste, dass es rund
zwölf Stunden bis zu ihrem Einsetzen dauerte und dass sie
weitere zwölf Stunden anhielt, bevor sie nach und nach wieder verschwand, je nach den äußeren Umständen. Wenn sie
richtig steif und hart war, dann musste sie irgendwann gestern Nachmittag gestorben sein. Wir mussten augenblicklich die Polizei alarmieren, oder wir würden die Verzögerung erklären müssen.
Nev war nicht in der Verfassung für weitere Einwände
und nickte nur schwach.
»Ich sage, wir verschwinden!«, warf Squib halsstarrig ein.
Er mochte die Polizei nicht. Sie mochte ihn nicht. Der
Hund setzte sich auf, hob die Schnauze und stieß ein lautes
Heulen aus, als stimmte er seinem Herrchen zu.
»Hört ihr?« Squib zeigte auf den Hund. »Sie mochte ihn
nicht. Terry mochte ihn nicht. Sie hat immer gesagt, er hätte
Flöhe. Er hat keine. Aber er weint um sie, seht ihr? Tiere
sind besser als Menschen, das ist es, was ich denke. Tiere
haben Anstand.«
»Anstand bedeutet«, sagte ich heftig, »dass wir auf der
Stelle die Polizei holen.«
Wir hätten noch stundenlang weiter streiten können,
doch die Entscheidung wurde uns aus der Hand genommen. Unten am Fuß der Treppe rief jemand.
Wir starrten uns an, und Panik stieg in uns auf. Ich rannte die Treppe hinunter, und man glaubt es nicht, da stand
der Mann von der Stadtverwaltung wieder. Diesmal hatte er
einen Kollegen bei sich, einen verschwitzten, pummeligen
Burschen mit bösartigem Gesichtsausdruck.
»Wir sind noch einmal zurückgekommen, um nachzusehen, ob Sie alles für Ihren Auszug vorbereiten«, sagte der
Erste der beiden, »und um sicherzustellen, dass Sie zu der
für heute anberaumten Anhörung erscheinen.«
Die Anhörung hatte ich ganz vergessen. Sie schien mit einem Mal völlig nebensächlich. Die beiden Beamten waren
die Letzten, die wir im Augenblick hier gebrauchen konnten, und ich überlegte hektisch, wie ich sie loswerden konnte. »Wir können nicht!«, sprudelte ich hervor. »Ich meine,
wir sehen uns dort. Wir machen uns gerade fertig zum Aufbruch, deswegen können Sie nicht reinkommen, nicht gerade jetzt.«
Er kam näher zur Treppe und starrte mich mit gerunzelter Stirn von unten herauf an. »Sie

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