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Grant County 05 - Gottlos

Grant County 05 - Gottlos

Titel: Grant County 05 - Gottlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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weghuschte. Jeffrey zog den nächsten Ballen zur Seite und streckte die Hand aus. An der Wand kauerte ein Mädchen.
    Er hatte Rebecca Bennett gefunden.

FÜNFZEHN
    Als Jeffrey beobachtete, wie Lena mit Rebecca Bennett umging, wurde ihm bewusst, dass er nach all den Jahren immer noch nicht sagen konnte, wie diese Frau tickte. Noch vor zehn Minuten, als sie in derselben Küche mit Terri Stanley gesprochen hatten, hatte Lena kein Wort herausgebracht und dagesessen wie ein verschrecktes Kind. Jetzt, bei der kleinen Bennett, war sie wieder hundertprozentig im Einsatz. Das verstörte Missbrauchsopfer hatte sich wieder in die souveräne Polizistin verwandelt.
    «Erzähl mir, was passiert ist, Rebecca», sagte Lena mit fester Stimme und griff nach der Hand des Mädchens und fand genau das richtige Gleichgewicht zwischen Autorität und Mitgefühl. Obwohl er Lena schon hundertmal dabei beobachtet hatte, erstaunte Jeffrey die Verwandlung immer wieder.
    Rebecca zögerte. Sie war völlig verängstigt. Die lange Zeit im Verborgenen hatte an ihren Kräften gezehrt. Sie ließ die Schultern hängen und hatte den Kopf gesenkt, als würde sie sich am liebsten in Luft auflösen.
    «Als Sie weggefahren sind», brachte Rebecca stockend heraus, «bin ich in mein Zimmer gegangen.»
    «Am Montag?»
    Rebecca nickte. «Mama hat gesagt, ich soll mich hinlegen.»
    «Was ist dann passiert?»
    «Mir war kalt, und als ich mich zudecken wollte, habe ich unter der Decke die Papiere gefunden.»
    «Was für Papiere?», fragte Lena.
    Rebecca sah Terri an, und ihre Cousine nickte ermutigend. Rebecca wandte den Blick nicht von ihr ab. Dann griff sie in die vordere Tasche ihres Kleids und zog ein paar ordentlich gefaltete Blätter heraus. Lena überflog die Seiten, dann reichte sie sie an Jeffrey weiter. Es waren die Originale der Versicherungspolicen, die Frank aufgetrieben hatte.
    Lena lehnte sich zurück und sah das Mädchen aufmerksam an. «Warum hast du sie nicht schon am Sonntag gefunden?»
    Wieder suchte Rebecca Terris Blick. «Am Sonntag habe ich bei Tante Rachel übernachtet. Mama wollte nicht, dass ich alleine bin, als sie auf der Suche nach Abby waren.»
    Jeffrey erinnerte sich, dass Esther im Diner das Gleiche gesagt hatte. Als er von den Papieren aufsah, bemerkte er, dass die Cousinen einen Blick tauschten.
    Anscheinend hatte es auch Lena bemerkt. Sie legte die Hände flach auf den Tisch. «Was noch, Becca? Was hast du noch gefunden?»
    Terri nagte an ihrer Lippe. Rebecca starrte Lenas Hände an.
    «Abby hat sich darauf verlassen, dass du das Richtige tust, Rebecca. Deswegen hat sie dir die Sachen hingelegt», sagte Lena ruhig. «Du darfst ihr Vertrauen nicht enttäuschen.»
    Rebecca starrte immer noch Lenas Hände an, und Jeffrey fürchtete schon, sie wäre in Trance gefallen. Endlich sah sie auf und nickte Terri zu. Wortlos ging Terri zum Kühlschrank und nahm die Magneten mit den Kinderzeichnungen ab. Bis zur Tür waren es mehrere Schichten.
    «Hier schaut Dale nie nach», sagte sie und zog hinter einer Kinderzeichnung der Kreuzigung ein gefaltetes Blatt Kanzleipapier hervor. Statt Jeffrey oder Lena das Blatt auszuhändigen, gab sie es Rebecca. Das Mädchen faltete es bedächtig auseinander, legte es auf den Tisch und schob es Lena hin.
    «Das lag auch unter deiner Decke?», fragte Lena und begann zu lesen. Jeffrey beugte sich über ihre Schulter. Es war eine Namenliste,einige davon erkannte er wieder. In den Spalten waren Dollar-Beträge und Daten aufgelistet, manche lagen in der Vergangenheit, manche in der Zukunft. Er versuchte sich an die Daten der Policen zu erinnern. Schlagartig wurde ihm klar, dass sie hier eine Art Einkommensberechnung vor sich hatten, basierend auf einer Aufstellung, wann welche Police fällig wurde.
    «Das hat mir Abby hingelegt», sagte Rebecca. «Und sie hatte einen Grund dafür.»
    «Warum hast du es niemandem gezeigt?», fragte Lena. «Warum bist du weggelaufen?»
    Terri antwortete für ihre Cousine. Sie sprach leise, als fürchtete sie, ihre Aussage könnte sie in Schwierigkeiten bringen. «Paul», sagte sie. «Das ist Pauls Handschrift.»
    Rebecca hatte Tränen in den Augen. Schweigend nickte sie. Jeffrey hatte das Gefühl, dass die Spannung ins Unermessliche wuchs – genau das Gegenteil dessen, was er erwartet hatte, wenn endlich die Wahrheit ans Licht kommen würde. Offensichtlich hatten die Mädchen panische Angst vor dem, was sie da in den Händen hatten, und es schien sie nicht einmal zu erleichtern,

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