Grant County 05 - Gottlos
du Thomas Ward kennengelernt?»
«Ja», wiederholte Sara, das
Ma’am
verkniff sie sich. «Scheint ein netter Mann zu sein.»
Cathy klopfte die Gabel an der Pfanne ab, dann drehte sie sich um. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. «Willst du mich direkt was fragen, oder nimmst du lieber wieder den feigen Umweg über deine Tante?»
Sara wurde rot. Das hatte sie nicht bewusst getan, aber wahrscheinlich hatte ihre Mutter recht. Sara hatte Bella von ihren Ängsten erzählt, weil sie insgeheim hoffte, dass ihre Tante es an ihre Mutter weitergab.
Sie holte Luft und nahm all ihren Mut zusammen. «Ist er der Mann gewesen?»
«Ja.»
«Und Lev …» Sara suchte nach Worten. Jetzt wünschte sie, sie könnte doch den Umweg über ihre Tante nehmen. Ihre Mutter sah sie durchdringend an. «Lev hat rotes Haar», sagte sie schließlich.
«Du bist Ärztin?», fragte Cathy scharf.
«Also, ich …»
«Hast du Medizin studiert?»
«Ja.»
«Dann solltest du wissen, was Gene sind.» So wütend hatte Sara ihre Mutter schon lange nicht mehr erlebt. «Hast du mal daran gedacht, wie sich dein Vater fühlen würde, wenn er wüsste, dass du denkst – und wenn auch nur für eine Minute …» Sie unterbrach sich, versuchte, ihren Zorn im Zaum zu halten. «Ich habe es dir damals gesagt, Sara. Ich habe dir gesagt, dass es nur um Gefühle ging. Es war ganz und gar platonisch.»
«Ich weiß.»
«Habe ich dich je angelogen?»
«Nein, Mama.»
«Es würde deinem Vater das Herz brechen …» Sie hatte mit dem Finger auf Sara gezeigt, doch jetzt ließ sie die Hand sinken. «Manchmal frage ich mich, ob du überhaupt ein Hirn in deinem Schädel hast.» Dann drehte sie sich zurück zum Herd und griff wieder nach der Gabel.
Sara versuchte, den Vorwurf so gut wie möglich zu verdauen, doch ihr war unangenehm bewusst, dass Cathy ihre Frage nicht beantwortet hatte. Sie konnte die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen. «Lev hat rote Haare.»
Cathy warf die Gabel hin und drehte sich um. «Genau wie seine Mutter, du dummes Huhn.»
In diesem Moment kam Tessa in die Küche, ein dickes Buch unter dem Arm. «Wessen Mutter?»
Cathy beherrschte sich. «Das geht dich gar nichts an.»
«Machst du Pfannkuchen?» Tessa legte das Buch auf den Tisch.
Die gesammelten Werke von Dylan Thomas
las Sara auf dem Umschlag.
«Nein», knurrte Cathy. «Ich verwandele Wasser in Wein.»
Tessa suchte Saras Blick, doch ihre Schwester zuckte nur die Achseln, als hätte sie mit der Laune ihrer Mutter nicht das Geringste zu tun.
«In ein paar Minuten gibt es Frühstück», sagte Cathy. «Ihr zwei deckt den Tisch.»
Tessa rührte sich nicht vom Fleck. «Ich hatte eigentlich was vor.»
«Was hattest du vor?», fragte Cathy.
«Ich habe Lev versprochen vorbeizukommen», erklärte sie, und Sara musste sich auf die Zunge beißen.
Doch Tessa hatte ihr Gesicht gesehen und verteidigte sich: «Es ist eine schwere Zeit für sie.»
Sara nickte, während Cathy kerzengerade am Herd stand, ihre Missbilligung so deutlich wie ein Neonsignal.
Tessa versuchte sich zu verteidigen. «Nur wegen Paul sind sie nicht alle schlechte Menschen.»
«Das habe ich nie behauptet», entgegnete Cathy. «Thomas Ward ist einer der aufrechtesten Menschen, die ich kenne.» Sie funkelte Sara warnend an, ja die Klappe zu halten.
Tessa rechtfertigte sich: «Es tut mir leid, dass ich nicht mehr in deine Kirche gehe, aber …»
Cathy zischte: «Ich weiß genau, warum du da hingehst, mein Fräulein.»
Erstaunt blickte Tessa zu Sara, aber sie zuckte wieder nur die Achseln, erleichtert, dass ihre Mutter von ihr abgelassen hatte.
«Die Kirche ist eine Andachtsstätte.» Diesmal zeigte Cathy mit dem Finger auf Tessa. «Kein Anmachschuppen.»
Tessa prustete los, dann hielt sie inne, als sie sah, wie ernst es ihrer Mutter war. «Darum geht es doch gar nicht», verteidigte sie sich. «Ich bin gerne da.»
«Dir gefällt Leviticus Ward.»
«Na ja», gab Tessa grinsend zu. «Schon, aber ich bin auch gerne in der Kirche.»
Cathy stemmte die Hände in die Hüften und sah zwischen ihren Töchtern hin und her, als überlegte sie, was sie mit den beiden bloß anstellen sollte.
«Im Ernst, Mama. Ich gehe gerne dorthin. Nicht wegen Lev. Meinetwegen», beharrte Tessa.
Trotz ihrer Vorbehalte stellte sich Sara diesmal hinter ihre Schwester. «Das stimmt wirklich.»
Cathy presste die Lippen zusammen, und einen Moment lang fürchtete Sara, sie würde in Tränen ausbrechen. Ihrer Mutter war Religion sehr
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