Grappa 02 - Grappas Treibjagd
nicht. Er reihte sich in die Schlange ein, die noch etwa aus 15 Leuten bestand. Die ersten Passagiere gingen schon durch die Passkontrolle. Es wurde eng. Kein Naider und keine Polizei. Es war zum Verrücktwerden.
Sollte ich einfach auf ihn losgehen und schreien? Aufmerksamkeit erregen? Ihn ohrfeigen, um so das Eingreifen der Polizei zu provozieren?
Dann sah ich sie. Zwei Beamte gingen zügig an der Schlange vorbei zur Stewardess an der Abfertigung. Sie sprachen miteinander. Die Frau nickte, und die Beamten gingen wieder fort. Ich blickte auf Ellenbogen. Er hatte die Szene beobachtet und wurde nervös. Er blickte sich um. Ich putzte mir die Nase, um mein Gesicht zu verbergen.
Meine roten Haare! Ein Feuermelder war farblos dagegen. Ich wagte nicht aufzusehen. Dann tat ich's doch. Er schaute mich an, und ich guckte zurück. Unsere Blicke waren kalt und verkrallten sich ineinander. Ich war plötzlich ganz ruhig, hatte Nerven wie Drahtseile und den tödlichen Willen, ihn nicht davonkommen zu lassen. Irgendetwas würde in wenigen Minuten passieren! Ellenbogen drehte sich wieder um und blieb weiter in der Schlange stehen, so, als habe meine Anwesenheit auf dem Flughafen für ihn nicht die geringste Bedeutung. Kaltblütig – das war das einzige, was mir dazu einfiel.
Langsam ging es weiter in der Abfertigungsschlange. Noch fünf Passagiere vor Ellenbogen. Ich kam mir vor wie im Kino, Sperrsitz in einem Krimi, kurz vor dem Showdown, wenn dem Bösewicht der Garaus gemacht werden soll und die Heldin zu außergewöhnlichen Mitteln greifen muss, um ihr Ziel zu erreichen.
Dann sah ich, wie die Frau am Schalter nickte. Sie hatte Ellenbogens Flugschein auf der Theke liegen und seinen Namen erkannt. Die beiden Beamten steuerten flugs auf ihn zu und sprachen ihn an. Er antwortete und zwar ziemlich laut, verstehen konnte ich aber nichts. Doch die Beamten waren nicht beeindruckt, sie fassten ihn am Arm und nahmen ihn in die Mitte. Dann gingen sie in Richtung Polizeiwache. Alles verlief ruhig.
»Na, hat doch geklappt, oder?«, strahlte mich Agnus Naider an, »mein Amtshilfeersuchen ist auf fruchtbaren Boden gefallen.«
»Glückwunsch. Und was jetzt? Wie geht es weiter?«
»Irgendwann in der nächsten Zeit müsste Ihr Kollege ja wohl eintreffen, aber dann hoffentlich mit der richtigen Polizei!«
»Und wenn nicht? Der Trick fliegt spätestens dann auf, wenn die Flughafenpolizei in Bierstadt anruft. Na ja, auch egal. Immerhin haben wir etwas Zeit geschunden, und die Maschine nach Manila kriegt er heute nicht mehr. Und in der Zwischenzeit können wir uns dann was Neues ausdenken.«
Ich schaute befriedigt zum Schalter, die Mädchen packten ihre Sachen und machten die Türen dicht. Die Passagiere waren abgefertigt, und die Maschine würde jede Minute starten ins Kinderporno-Paradies. Ohne einen gewissen Herrn in der ersten Klasse, der sicherlich keine Annäherungsversuche bei den Stewardessen gemacht hätte. Und das nicht, weil er ein echter Gentleman war. Wir gingen langsam zum Büro der Flughafenpolizei und postierten uns vor dem Eingang. Mit Peter Jansen hatte ich den Abfertigungsschalter als Treffpunkt ausgemacht, doch der war von hier aus prima zu sehen. Aus dem Polizeibüro hörte ich aufgeregte Stimmen.
»Da seid ihr ja«, tönte eine Stimme von hinten. Peter Jansen war es, im Schlepptau Kommissar Friedel Zahlmann, einen zweiten Beamten und Frau Ellenbogen, die wieder ihre unbewegte Miene aufgesetzt hatte.
»Na, endlich!«, sagte ich erleichtert. »Fast wärt ihr zu spät gekommen! Wir mussten einen kleinen Trick anwenden, sonst wäre Ellenbogen schon in der Luft. Er ist da drin!« Ich deutete auf die Polizeiwache.
»Bei den Kollegen?« Zahlmann grunzte zufrieden. »Das ist ja prima, wie die Jungs auf Zack sind. Also, dann wollen wir mal, auf geht's.«
Angeführt von Zahlmann und seinem Kollegen, traten wir durch die Tür.
»Hat er einen Haftbefehl?«, flüsterte ich Jansen zu.
»Allerdings. Deshalb hat's ja etwas gedauert! Wir mussten erst noch zum Richter.«
»Peter, die Kleine ist nicht bei ihm!«
»Ich weiß. Die ist schon wieder auf dem Weg nach Hause!«
»Wirklich? Das ist ja wunderbar! Wie ist das passiert?«
»Ich erzähl dir's später ausführlich. Er hat ihr nichts getan, nur so viel für jetzt.«
Ein Happy End war in Sicht, und das war gut so. Ich liebe Happy Ends, im Film wie im Leben.
Ellenbogen saß in einem kleinen Raum auf einem ungepolsterten Stuhl. Sein Schalenkoffer war geöffnet, und drin lagen
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