Grappa 02 - Grappas Treibjagd
sie wusste nichts. Ich habe es rausgekriegt, ich ganz allein. Ich habe ihn beobachtet, weil ich Laura beobachten wollte. Monatelang. Er traf sich mit den Bartuschs, und ich ahnte, warum. Ich wusste auch, dass es ein Postfach gab, denn ich folgte ihm, als er die Post abholte. Laura hielt diesen Maler für den Täter, Ellenbogens Freund. Er wurde mal von der Polizei vernommen, weil eine Mutter ihn angezeigt hatte.«
»Warum haben Sie Ellenbogen nicht angezeigt, wenn Sie ihn für einen Verbrecher hielten?«
»Ich bin kein Denunziant, Laura hätte alles nur für einen Racheakt gehalten!«
»Und nach Lauras Tod? Was hat Sie zurückgehalten?«
»Ich weiß es nicht. Ich hatte meine Gedanken nicht beisammen. Ich überlegte mir eine andere Lösung.«
Ich begriff und fragte: »Dann haben Sie mir das Lolita-Magazin in die Redaktion geschickt? Um mich auf Ellenbogen aufmerksam zu machen?«
»Ja, und ich wusste, dass Sie mit mir Kontakt aufnehmen würden. Laura hatte von Ihnen erzählt, einer guten Freundin beim ›Bierstädter Tageblatt‹, die ständig auf der Suche nach heißen Storys war. Also war die Sache bei Ihnen gut aufgehoben.«
Ich überlegte. Irgendwo passte die Geschichte nicht. »Wenn Laura nichts von Ellenbogens ›Hobby‹ wusste, warum hat er sie dann umgebracht? Die Frage ist immer noch offen. Das ergibt alles keinen Sinn! Und er muss sie umgebracht haben, wie kam sonst der Schlüssel in seinen Safe?«
Während ich so drauflos plapperte, verfestigte sich in meinem Gehirn ein neuer, wahnwitziger Gedanke. Wer hatte den Schüssel aus dem Safe geholt, damals im Hause Ellenbogen? Naider! Was aber, wenn er ihn nicht rausgeholt, sondern nur in der Hand gehalten hätte, nachdem er ihn aus der Hosentasche gezogen hatte? Er hatte mit dem Rücken zum Safe gestanden, die Hand hineingesteckt und den Schlüssel zu Lauras Wohnung plötzlich vorgezeigt. War Ellenbogen doch nicht der Mörder?
Naider hatte mich beobachtet, und als ich ihn ansah, wusste er, was ich gedacht hatte.
»War es Ellenbogen, der Laura ermordet hat, oder war es jemand anders?«, fragte ich ihn leise. Ich hatte Angst vor der Antwort und wollte sie dennoch endlich wissen!
»Ich wusste, dass Laura für ihre Freunde eine Party geben würde. Ich war nicht eingeladen. Ich will keinen Stress mit dir, so drückte sie sich aus. Es sollte nämlich eine lustige Fete werden, und da passte niemand hin mit Leidensmiene. Mittags nahm ich Lauras Schlüssel an mich. Sie merkte nichts, wahrscheinlich glaubte sie, ihn zu Hause vergessen zu haben. Dann fuhr ich in den Teutoburger Wald, um meinen Vortrag zu halten. In der Nacht fasste ich den Entschluss, nach Bierstadt zurückzufahren, um noch mal mit Laura zu reden.«
Er war aufgestanden und ging auf und ab. Seine Stimme war leise, und die Sätze kamen stoßweise heraus. Mir graute vor dem weiteren Verlauf der Geschichte, am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten, doch ich saß wie gelähmt und klebte in meinem Sessel fest.
»Ich benutzte den Schlüssel und kam ins Haus. Es waren viele Leute da, niemand nahm Notiz von mir. Die meisten waren leicht betrunken, die Musik schon leiser gestellt, und Sie, Maria, saßen in einem Sessel und beobachteten die Leute. Ich verbarg mich, aber das war nicht nötig. Jeder war mit sich selbst oder seinem Partner beschäftigt. Ich sah Laura, sie ging nicht mehr ganz gerade, und ich folgte ihr. Sie betrat ihr Schlafzimmer und schloss nicht ab. Ich wartete eine Weile, unschlüssig, was ich tun sollte, dann trat ich ein. Ich verriegelte die Tür von innen. Sie stand nackt vor dem Spiegel und betrachtete sich. Sie war ziemlich betrunken und musste sich mit einer Hand an einem Stuhl festhalten. Sie war trotzdem so schön.«
Diese verdammten Pausen. Ich wurde langsam wütend, meine Erstarrung löste sich.
»Los, weiter!«, befahl ich. »Was ist dann passiert?«
»Sie drehte sich um und sah mich. Sie war so schön, und ich starrte sie an. Sie fing an zu lachen und lachte und lachte. Ihr Gesicht verzerrte sich, und ihr Körper drückte Verachtung und Belustigung aus. Sie begann zu tanzen, wiegte ihre Hüften und streichelte ihren Körper und lachte weiter. Ich starrte sie an und bekam kein Wort heraus. Dann reichte es mir. Ich ging auf sie zu, und sie lief hinter einen Stuhl. Dann sagte sie: ›Na, gefalle ich dir? Guckst du dir das an, was du nie kriegst?‹ Als ich dicht vor ihr stand, lachte sie nicht mehr. Sie schaute mich nur an und fragte: ›Bist du gekommen, um mit mir
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