Grappa dreht durch
ich im Auftrag des »Gourmet-Magazins« veranstaltete. Kein besonderer Auftrag, der die Gesellschaft politisch ein Stückchen weiter brachte. Immerhin konnte ich hier drei meiner Passionen miteinander verbinden: Die Liebe zu Italien, der dazugehörenden Küche und der Weine.
Ich sah zufriedene Gesichter um mich herum. Daß sieben Leute jeweils 2000 Mark pro Person für etwas bezahlten, das sie in jedem Kochbuch nachlesen könnten, würde ich nie begreifen. Vermutlich gehörte ein Kochseminar bei ihnen genauso zum kulturellen Leben wie der Besuch einer Jazz-Matinee oder die vierteljährliche Urschrei-Therapie. Jeder nach seinem Geschmack, dachte ich.
Die Gruppe bestand dieses Mal aus einem jungen Mann mit schütterem blonden Haar und Nickelbrille, einer flotten Chefsekretärin, einer wohlproportionierten Unternehmerin, einem angegrauten Vorruheständler aus der Stahlbranche, der das Wochenende bei einem Preisausschreiben gewonnen hatte, einem pensionierten Oberst der Bundeswehr mit Bürstenhaarschnitt und einem schwulen Schauspielerpaar. Eine bunte Truppe also.
»Die klassische Küche Italiens besteht aus einer Vorspeise, dem ersten Gang, dem zweiten Gang und dem Dessert. Zu einem italienischen Essen gehört immer Wein, manchmal ein Aperitif und ein Verdauungsschnaps zum Espresso. Bevor wir mit der Vorspeise beginnen, noch eine Bemerkung. Die bekannte Pasta ist keine Vorspeise im klassischen italienischen Sinn, sondern der erste Gang eines kompletten Menüs. Die
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Antipasti sollen ein Festessen einleiten, den Appetit auf eine nette Weise anregen, die Zunge vorbereiten auf den Genuß, der danach folgt.«
Die Kundschaft raunte andächtig. Doch ich war noch nicht fertig: »Der Phantasie der Hausfrau oder des Hausmannes ist bei den Antipasti keine Grenze gesetzt. Vergessen Sie nie, daß das Auge auch mitspeist. Stimmen Sie die Zutaten farblich aufeinander ab, ordnen Sie sie dekorativ auf dem Teller an. Beginnen wir also. Heute stehen die >Teste di funghi farcite< als Antipasta auf dem Programm. Dafür hat der Veranstalter, das >Gourmet-Magazin<, Steinpilze aus den Abruzzen einfliegen lassen.«
Die Unternehmerin stöhnte lustvoll, auf. Ich grinste innerlich. Die Nummer mit dem »einfliegen lassen« zog immer, niemand schien zu wissen, daß auf der nördlichen Weltkugel um diese Jahreszeit kein frischer Steinpilz aufzutreiben war. Die Rundköpfe stammten aus der Tiefkühltruhe, sahen aber wie neu aus und dufteten genial.
Ich führte meine Jünger zu einem rustikalen Holzblock, auf dem ich die braunen Kostbarkeiten malerisch ausgebreitet hatte.
»Nehmen Sie sich bitte jeder einen Pilz«, schlug ich vor, »aber seien Sie vorsichtig, daß der Hut nicht zerstört wird. Nun greifen Sie bitte zu den Küchenmessern, die da rechts liegen, und kratzen die Röhren ganz vorsichtig aus. Achten Sie darauf, wie ich das mache!«
»Müssen die Dinger nicht erst mal gewaschen werden?« schnarrte der Oberst außer Diensten.
»Befehl bereits weise vorausschauend ausgeführt, Herr General!« gab ich zackig zurück. Die beiden Schwulen kicherten. Dann fingen alle brav an, mit den Messern die Pilze zu bearbeiten.
Als die Hüte hohl waren, ging‘s mit Elan an die Füllung. Stiele, Knoblauch und Kräuter wurden fein gehackt und mit Salz und Pfeffer gewürzt. Ein würziger Duft zog durch die Küche. Dann zeigte ich meinen Schülern, wie die Farce in die
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Höhlungen gestrichen wird. Sie sahen gebannt auf meine Hände.
»Und nun werden die >funghi< in eine feuerfeste Form gelegt und bei 180 Grad - der Ofen sollte vorgeheizt sein - eine halbe Stunde gegart. Und fertig ist die Vorspeise!«
»Ich liebe alles, was mit Pilzen zu tun hat! Pilze sind etwas Ur-Weibliches!« gestand die Chefsekretärin und vertiefte sich in die Augen des Nickelbrillenträgers, der bisher weitgehend stumm geblieben war. Der lächelte schüchtern und rückte einen Meter von ihr ab.
Während die Steinpilze schmorten, erklärte ich die Zubereitung der »Fusilli alla napoletana«, einer Pasta aus gedrehten Bandnudeln, Ricotta und Ziegenfleisch. Zwischendurch kostete ich den guten Tropfen des »San Severo« so intensiv, daß die »Ossibuchi della Festa« eine leichte Übung waren. Meine Schüler schabten, putzten, pfefferten, salzten, enthäuteten und plapperten, daß es eine Freude war.
Völlig erschöpft vom Kochen und Weintrinken - wir hatten drei Rotweinflaschen während des Kochvorgangs geleert -setzten wir uns schließlich an den großen Tisch
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