Graue Schatten
Juri Kovalev die Insiderinformationen über den Sonnenweiß-Stift herhatte.
Uschi hatte an Lockes zweitem Paar Arbeitsschuhe Spuren von Walderde gefunden, die genau wie die vom Absturzort von Frau Müller beschaffen war. Und die Schuhspuren stimmten überein.
Locke wurde bei sich zu Hause vernommen. Nachdem man in seiner Wohnung aber einige Gramm Haschisch und die verschwundene Diazepam-Ampulle fand, nahmen ihn die beiden zusätzlich abgestellten Beamten gleich mit nach Heilbronn auf die Polizeidirektion. Schell hatte Locke vorher noch gefragt, wozu er das Beruhigungsmittel brauche, worauf er gemeint hatte, er habe Angst vor einer bevorstehenden Zahnbehandlung und habe sich damit selbst sedieren wollen.
Strobe und Schell hatten noch etwas in Lauffen zu erledigen. Sie fuhren zu Anna Kirchner, die dem Hauptkommissar unter vier Augen und unter vielen Tränen zumindest einiges von dem erzählte, was sie gestern schon Larissa berichtet hatte. Strobe beruhigte sie und meinte, sie müsse ihre Aussage noch einmal auf der Polizeidirektion machen und vor allem die Einzelheiten der sexuellen Belästigung genau darlegen. Dann würde aber eine Kriminalbeamtin ihre Aussage aufnehmen. Und sie brauche keine Angst haben. Wenn der Vorfall mit Frau Müller sich so zugetragen hatte, wie sie ihn beschrieb, habe sie keine Bestrafung zu befürchten. Und wenn Hartmut Locke etwas anderes aussagen sollte, etwas das sie belasten würde, hätte er sehr schlechte Karten, was seine Glaubwürdigkeit betreffe. Er stehe jetzt schon mit einem Bein im Gefängnis.
Unter dem Druck späterer Vernehmungen gab Locke schließlich das meiste zu, was den Fall Müller betraf. Und dass er Juri Kovalev ein paar Gramm Haschisch geschenkt hatte. Nicht verkauft! Er war ja schließlich kein Dealer. Der Ukrainer hatte ihn am Samstag, als Locke, wahrscheinlich besoffen und bekifft, vor dem Hintereingang zum Golfclub gestanden und überlegt hatte, ob er sich den angeblichen neuen Freund von Betti mal anschauen solle, auf einen Joint angesprochen.
Strobe vermutete, dass der Ukrainer – so, wie Linde in der Mordnacht – gerochen hatte, dass er das von Locke bekommen könnte, was ihm zum Glück fehlte.
Auch über das Sonnenweiß-Stift hatte Juri ihn ausgefragt. Aber erst später, als er kurz mit zu ihm gekommen sei, um den Stoff mitzunehmen. Worüber sich Kovalev mit Sausele hinter dem Golfclub unterhalten hatte, konnte Locke nicht sagen. Die beiden hätten schon da gestanden. Sie hätten nur noch ein paar allgemeine Worte gewechselt, wie es so gehe, was die Mutter so mache.
Als die vernehmenden Beamten nachhakten und genau wissen wollten, welche Informationen Locke dem Mann gegeben hatte, von dem er offensichtlich nicht wusste, dass er der Mörder von Frau Sausele war, beantwortete er die Fragen völlig offen. Allem Anschein nach hatte er tatsächlich Juri die Einzelheiten über das Haus zugespielt. Immerhin ohne die Absicht, einen Mörder zu unterstützen.
Angeblich war es bei der Unterhaltung lediglich um Frauen gegangen. Dadurch sei man auch wieder auf das Pflegeheim gekommen, wo es auch einiges verwertbares Material, wie sich Locke ausdrückte, in Form von weiblichen Mitarbeitern, gab. Der Ukrainer hatte dann anscheinend geschickt das Gespräch auf den Nachtdienst gelenkt. Zu seinem Glück arbeitete da auch eine Schwester als Dauernachtwache, über die sich zu reden lohnte. Er hatte gefragt, ob die sich nicht langweilen würde, so allein, und ob man sie nicht mal besuchen könne. So hatte Locke unter anderem ausgeplaudert, wie viele Nachtwachen, Stockwerke, Stationen und Eingänge es gab, wann die abgeschlossen wurden, sogar, wann die Nachtwache ihre Ruhepause hatte und wo sich der Ruheraum befand.
Die Beamten stellten zufrieden fest, dass sich das Puzzle auch im Fall Sausele vervollständigte. Nur Annas Anschuldigung, dass Locke sie sexuell belästigt hatte, stritt er ab. Aber das hatte ein separates Gerichtsverfahren zu klären.
Andrej Kovalev wurde dagegen unter der Auflage, dass er bis auf Widerruf den Landkreis nicht verließ, freigelassen. Auf Grund seines Status praesens als selbstständiger Betreiber eines Partyservices mit bestehenden Kundenverträgen und gesicherten sozialen Verhältnissen in Form seiner Freundin Bettina Richter, sah man keine Fluchtgefahr. Dass er nichts von dem perfiden Vorhaben seines Bruders gewusst hatte, und davon, dass nach ihm bereits gefahndet worden war, glaubte man ihm.
Strobe und Schell suchten nach weiteren
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