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Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
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und hat das Chaos auf dem Fußboden gesehen. Da hat sie anscheinend die Motivation wieder verlassen, sie wollte ja nichts durcheinanderbringen. Sie hat sich in deinen Drehstuhl gesetzt und sich umgesehen. Und da ist ihr so ein Notizbuch aufgefallen, das sie noch nie gesehen habe. Sie war halt neugierig und hat darin herumgelesen, und da hat sie dann der Schlag getroffen. So hat sie's ausgedrückt. Weißt du welches Buch sie meint?“
    „Vermutlich meine Notizen und Beobachtungen.“ Kevin schüttelte den Kopf. „Ich hätte das nicht draußen liegen lassen dürfen. Jetzt ist mir auch klar, wer mir das alles eingebrockt hat.“
    „Und? Was hat es mit den Sachen auf sich, die da so über die Bewohner drin stehen? Ist nicht ernst gemeint, oder?“
    „Natürlich nicht! Was hat sie denn so erzählt?“
    Larissa überlegte kurz.
    „Sie hat gesagt, dass da Tabellen drin gewesen seien, und dass du bei allen drei Patienten von Hansen, die während deiner Nachtschicht gestorben sind, die Medikation notiert hättest, so wie sie Hansen verschrieben hat. Und dann hättest du immer dahinter deine eigene Medikation oder Dosierung notiert. Und dahinter hätten dann Krankenbeobachtungen gestanden.“
    „Und deshalb sind die drei gestorben?“, fragte Kevin.
    „Quatsch! Aber Betti hat gemeint, dass du den Leuten eine Überdosis von verschiedenen Medikamenten gegeben hättest. Ich hab ihr ja gleich gesagt, dass das Unsinn ist, und dass die Leute ja gar nicht an Medikamenten gestorben sind. Aber falls sie es war, die bei der Polizei angerufen hat, war es am Samstag eh schon zu spät, sie davon abzuhalten.“
    „Erstens sind die Bewohner nicht an überdosierten Medikamenten gestorben, da hast du völlig recht“, begann Kevin nachdenklich. „... nicht mal die Sausele, obwohl die noch ein anderes Thema ist. Zweitens habe ich noch viel mehr Bewohner als die drei beobachtet und meine Alternativmedikation hinzugefügt. Und die Bewohner leben alle noch. Und drittens sieht man wieder mal, wie oberflächlich Betti die Dinge betrachtet und wie schnell sie ihr Urteil fällt.
    Wenn sie sich die Tabellen bisschen genauer angesehen hätte, wäre ihr die dritte Spalte aufgefallen. Wenn sie dann noch ihr Köpfchen eingeschaltet hätte, wäre sie drauf gekommen, dass ich nur in einigen wenigen Fällen die Dosierung, so wie ich sie für richtig hielt, wirklich verabreicht habe. Manchmal habe ich sie nur leicht verändert gegeben und dann halt beobachtet, wie es wirkt. Meistens habe ich's so gegeben, wie's im Kardex steht. Unter anderem bei Leutle und Fritz. Bei den beiden wäre ich nie auf die Idee gekommen, eigenmächtig die Dosis zu erhöhen.“
    „Und bei der Sausele?“
    „Was hat Betti über die Sausele erzählt?“
    „Bei ihr hättest du angeblich eine Atemdepression beobachtet, und notiert, wie viel Morphium und Diazepam sie braucht, bis ein Atemstillstand eintritt. Falls Betti bei der Polizei angerufen hat, dann waren deine Beobachtungen über die Sausele wahrscheinlich der endgültige Auslöser. Was hat es damit auf sich, Kevin?“
    Paradoxerweise musste er lachen. Es war tragisch und komisch zugleich. Er begriff, dass genau das, was Larissa gerade erzählt hatte, es gewesen war, was ihn für drei Tage und vier Nächte in eine Zelle gebracht hatte.
    „Okay. Wegen der Sausele habe ich echt Muffensausen gehabt. Aber schließlich ist sie definitiv nicht an den Medis gestorben, sondern sie wurde erstickt. Die Dosis war eigentlich viel zu gering. Aber so genau kann man das eben nie wissen.
    Was die Beobachtungen über die Sausele betrifft, von denen dir Betti erzählt hat, das waren gar keine Beobachtungen, die ich bei der Sausele gemacht habe. Ich hatte in verschieden Medien recherchiert, was andere irgendwo über Atemdepressionen durch die Kombination von Benzodiazepinen mit Morphium veröffentlicht hatten. Das heißt also, was bei welcher Dosis passiert ist oder bei welcher Dosis der Tod eingetreten ist. Dummerweise hatte ich das immer unter der Überschrift Sausele notiert. Ich wollte auch bei ihr die Dosis ein bisschen erhöhen, aber hundertprozentig sicher sein, dass zusammen mit dem Morphium nichts passiert.
    Aber klar, du hast recht: Betti hat das gelesen, oder besser gesagt, oberflächlich überflogen. Zwei Bewohner waren schon gestorben. Sonntagnacht Nummer drei: Frau Sausele. Und bei der hatte sie gelesen: bei 500 mg definitiv Exitus und solche schlimmen Sachen. Sicher hat Betti auch die ironische Bemerkung gesehen: Und der

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