Grauen im Pentagon
Wohnherbergen fügten sich harmonisch in das alte Straßenbild ein, sie waren nicht zu hoch gebaut worden. Hier wohnten viele Studenten.
Unser Ziel war eines der älteren Häuser. Es lag etwas versetzt. Ein schmaler Weg führte an der linken Seite um das Gebäude herum. Der Wagen paßte soeben hindurch, ohne mit dem zweiten Außenspiegel an der Begrenzungsmauer entlangzukratzen.
Hinter dem Haus fanden wir auch einen Parkplatz. Im Halbkreis rollten wir aus und blieben zunächst für eine Weile stehen.
»Sollen wir nicht aussteigen?« fragte ich.
»Gleich«, erwiderte der Mann am Steuer. Er drehte sich zu mir um. Ich sah ihn jetzt besser. Auf seinem Kopf wuchs dichtes Schwarzhaar. Brauen lagen wie dunkle Balken über den Augen. Die Nase war etwas zu klein und besaß einen Schwung nach oben. Einen unsympathischen Eindruck machte der Mann nicht.
Wir schauten uns an.
»Wollen Sie ein Eoto?« fragte ich noch.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, Mr. Sinclair. Ich wollte Ihnen erst mal einen Gruß bestellen.«
»Wie nett. Von wem?«
Mich spannte er noch auf die Folter. Seine nächste Bemerkung galt dem Fischauge. »Nimm die Kanone weg!«
Fischauge wollte nicht. »Aber…«
»Steck sie weg!«
Der Typ im T-Shirt hob die Schulter und drückte das Schießeisen zwischen Gürtel und Bauch. »Danke«, sagte ich.
Er starrte mich an, als wollte er mich im nächsten Augenblick auffressen.
»Wie war das mit dem Gruß?« fragte ich.
»Ach ja. Ein Bekannter von mir läßt ihn ausrichten. Er hält übrigens viel von Ihnen. Der Mann heißt Wladimir Golenkow.«
Ich saß erst mal da und erwiderte nichts. Wladimir Golenkow, der Russe, der KGB-Mann, der Freund von mir. Ja, wir waren im Laufe der Zeit tatsächlich Freunde geworden. Gemeinsam erlebte Abenteuer hatten diese Freundschaft besiegelt, trotz trennender Grenzen und verschiedener Systeme. Was die Politiker nicht geschafft hatten, war uns gelungen. Abrüstung auf der unteren Ebene.
»Überrascht, Mr. Sinclair?«
»In der Tat.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Der Fahrer griff in die Tasche und holte einen Brief hervor, der versiegelt war und den er mir jetzt reichte. »Es ist eine Botschaft von Wladimir. Sie sollten sie jetzt lesen.«
Ich öffnete den Umschlag noch nicht. »Weshalb haben Sie mich eigentlich auf diese etwas ungewöhnliche Art und Weise eingeladen?«
»Das ist sehr einfach. Es geht erstens um ungeheuer viel. Zudem wollten wir sicher sein, daß Sie auch kommen.«
»Ja, samstags habe ich oft frei.« Während dieser Worte riß ich den Umschlag auf, holte das Blatt hervor und faltete es auseinander. Es war nicht einmal voll beschrieben. An der Handschrift erkannte ich, daß die Zeilen tatsächlich von Wladimir Golenkow geschrieben worden waren. Der Text lautete: Lieber John, es tut mir leid, daß ich nicht selbst kommen kann, aber mich halten dringende Geschäfte davon ab. Der Mann, mit dem Du es zu tun bekommst, verdient mein Vertrauen. Vertraue auch Du ihm. Sein Name lautet Michail Schneider. Er wird Dir etwas zeigen, das der Beginn einer wahren Höllenaktion sein kann. In mühevoller Kleinarbeit ist es uns gelungen, einen roten Faden zu finden. Ich habe den Eindruck, als säße hinter dieser Aktion ein mächtiger Clan, Konzern oder auch der Geheimdienst einer Großmacht. Da wir es nicht sind, kommt nur eine einzige in Frage. Wie gesagt, ich möchte Dir nicht vorgreifen und wünsche Dir viel Glück. Wir hören noch voneinander. Gruß Wladimir. Ich steckte den Brief ein.
Dagegen hatte Schneider etwas. »Nein, ich werde ihn verbrennen. Keine Spuren.«
Ich verließ mich auf Wladimir und vertraute dem Fahrer. Er zündete das Schreiben an und stampfte die Aschereste im Aschenbecher zusammen. Der Brandgeruch zog durch das geöffnete Fenster ab.
»Nun?« fragte er mich.
»Ich hoffe, der gute Wladimir meint es ehrlich.« Schneider nickte. »Sogar sehr ehrlich.«
»Und um was geht es?«
»Das werden wir Ihnen zeigen, sobald wir in diesem Haus sind, Mr. Sinclair.«
»Sie sind vom KGB?« fragte ich direkt.
Schneider lächelte. »Ich gehöre einer Handelsmission an.«
»Ah ja.« Die Antwort hätte er sich auch ersparen können. Wer als Russe im Ausland tätig war, arbeitete meist für den KGB. Es blieb ihm oft nichts anderes übrig.
»Können wir, Mr. Sinclair?«
»Ich warte schon lange.«
»Dann bitte.«
Mich überraschte die Höflichkeit nicht mehr. Schließlich wollte die andere Seite etwas von mir. Zudem hatten mich die Zeilen meines russischen
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