Graues Land (German Edition)
mich an verdorbenes Fleisch erinnert. Ich versuche mir einzubilden, dass der Geruch von meinen jüngsten Erinnerungen an das Mädchen bei `Tenberries´ herrührt. Vor meinem geistigen Auge sehe ich immer noch ihren kindlichen Schädel explodieren, Knochenfragmente und blutigen Schleim gegen die Seite des Wagens und auf den grauen Asphalt klatschen.
Daher stammt der leise Gestank im Wagen. Ein tief in mir verwurzelter Alptraum, der mich für den Rest meines Lebens nicht mehr loslassen würde, wie lange dieser schäbige Rest auch andauern mag.
Und doch spüre ich, dass mir die stickige, verrottete Luft etwas zu sagen versucht. Nämlich dass irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. Ich könnte mit meinen Händen in die Luft greifen, hätte die fürchterliche Antwort auf meiner Haut gespürt und dennoch nicht zu halten vermocht.
Die Welt um uns herum versinkt in der Dunkelheit eines nahenden Sturmes. Bäume und Buschwerk verneigen sich in hilfloser Demut vor den schrecklichen Reitern in den Wolken. Sie wirken wie die letzten gepeitschten Überreste der Menschheit.
Barry fährt nicht langsamer. Auch nicht, als erste Regentropfen auf die Scheibe klatschen. Als er die Scheibenwischer anstellt, werden Fliegen und Käfer zu einem gelben Schleim verteilt. Die Welt verschwimmt und verliert jede Realität.
Als Barry auf den schmalen Weg einbiegt, der hinunter zum Haus führt, beginnt sich die Welt um mich herum zu drehen. Das Hämmern meines Herzens in der Eishöhle meines Körpers verstummt und in meinem Verstand wird es still. Mit grausamer Deutlichkeit sehe ich endlich, was falsch ist; woher der Gestank nach verfaultem Fleisch stammt. Nicht etwa von der Erinnerung an das Mädchen in Devon. Auch nicht vom Gestank der Hügel nach Erde und Regen, der Sarah so oft an den modrigen Geruch alter Sümpfe erinnert hatte. Der Gestank bereitete mich die ganze Fahrt über auf das vor, was ich vorfinden würde.
Die Verandatür steht offen.
Sie ist aus den Angeln gerissen und hängt an einem einzelnen Scharnier. Ihre träge Bewegung im dunklen Regen wirkt surreal auf mich.
Barry bremst den Wagen ab und springt im nächsten Moment in den Regen hinaus. Ich folge ihm, wobei das Buch für Demi in den Matsch neben dem Pick-up fällt. Das DVD-Gerät poltert in den Fußbereich meines Sitzes. Doch all das registriere ich nicht mehr.
Mein Blick haftet auf den Schleifspuren, die von der Veranda durch den Garten zum Zaun führen und weiter auf die Wiese dahinter. Gräser sind niedergetrampelt und das ehemals farblose Grün ist mit roter Farbe gestrichen.
Auf den Stufen zur Küche liegt Murphys Gewehr.
Als ich hinter Barry in das Haus stolpere, versinkt die Welt um mich herum in einem roten Nebel.
Barry schreit. Ich kann sehen, wie sich seine Lippen bewegen und Speichel zwischen seinen Zähnen hervorspritzt. Doch ich kann ihn nicht hören.
Mein Verstand hat sich den Geräuschen der Welt angepasst. Kein Schreien. Kein Poltern. Einfach nur eine rote, verschwommene Stille. Regen, der mir aus den Haaren in die Augen läuft. Tränen, die meine Sicht in ein groteskes Schauspiel verwandeln.
Auf dem Boden der Küche kann ich Blut sehen. Eine dunkle, fast schwarze Schleifspur, die hinaus in den Garten führt.
Einschusslöcher in der Tür und dem Schrank, in dem ich unsere Teller aufbewahre. Der Gestank von Verwesung, Urin und Pulverdampf schwängert das Zimmer.
Barry schreit weiter. Sein massiger Körper stolpert durch die Tür in den dunklen Flur hinaus.
Wie im Traum folge ich ihm.
Ich spüre nichts, tanze in diesem tiefen Schweigen der Welt.
Auf der Treppe liegt die Waffe, die Demi getragen hat. An den Wänden Blut und etwas Weißes. Auf der mittleren Stufe, die seit Jahren ihr vertrautes Knarren gesungen hat, glänzt eine Pfütze aus gelbem Schleim.
Barry klettert auf allen Vieren die Stufen empor. Seine Hände platschen durch die Pfütze. Ich folge ihm tanzend. Meine Hand fährt durch das Blut an der Wand. Es ist feucht und warm.
Als ich die fleckige Hand zur Faust balle, verschwimmen die Konturen meiner neuen Welt noch etwas mehr.
Barry steht als gewaltiger Schatten im Rahmen der Schlafzimmertür. Dort, wo Demi und Sarah hätten sein sollen. Sein Mund ist zu einem Brüllen geöffnet, die Fäuste schlagen gegen den Türrahmen. Dann sackt der Schatten in sich zusammen, verschmilzt mit dem Meer aus Schwärze, das über den Boden brandet.
Etwas in meiner Stille schreit. Worte, die ich nicht verstehen will. Je näher ich der Tür
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