Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
warfen die unzähligen Instrumente ein schummriges Licht.
Kontrollleuchten glimmten, Displays leuchteten, Zeiger vibrierten sanft. Die
Zeit, wie sie weltweit an Bord aller Flugzeuge gilt, wurde in GMT angezeigt,
die Greenwich Mean Time. Es war demnach bereits 1:10 Uhr. Dem Wetterbericht
zufolge gab es in dieser Spätsommernacht auf der Route nach Mitteleuropa keine
Besonderheiten. Starker Westwind würde die Flugzeit voraussichtlich um eine
Viertelstunde verkürzen. Ein Routineflug also, wie ihn die beiden erfahrenen
Piloten schon viele Male gemeinsam absolviert hatten.
Während Kapitän Frohberger durch die linke Luke in den
nachtschwarzen Himmel sah, wo vereinzelt Sterne glitzerten, ließ rechts neben
ihm sein Kollege Riedel den Blick über die Instrumente streifen, um zufrieden
festzustellen, dass alle Systeme einwandfrei und zuverlässig funktionierten.
Noch.
Aber
schon mit dem nächsten Atemzug verpasste ihm sein Körper einen gewaltigen
Adrenalinstoß. Noch bevor er etwas sagen konnte, hatte es auch Frohberger
bemerkt, der blitzschnell die wichtigsten Instrumente checkte und Blickkontakt
zu Riedel suchte. »Riechst du das auch?«
Riedel,
der gut zehn Jahre jünger war als der Flugkapitän, sog schnelle, kurze Atemzüge
in sich auf und vollzog mit dem Kopf kreisende Bewegungen, um die Herkunft des
Geruchs zu lokalisieren. »Die Klimaanlage?«, fragte Frohberger knapp. Seine
sonore Stimme hatte plötzlich einen beunruhigten Klang.
»Ja«,
bestätigte Riedel, der bereits gegen die aufkommende innere Unruhe ankämpfte, während
sie die Cockpitbeleuchtung einschalteten. Oft genug hatten sie im Simulator
alle möglichen Störfälle durchgespielt. Auch etwaigen Brandgeruch. Denn Feuer
war eine der größten Gefahren an Bord eines Flugzeugs. Einen Triebwerkschaden
konnte man nach menschlichem Ermessen noch in den Griff bekommen und eine
geordnete Notlandung einleiten, aber die Ausbreitung eines Brandes war
unberechenbar.
Die
beiden Piloten wussten, dass sie sich strikt an den vorgeschriebenen Prozeduren
orientieren mussten. Doch jetzt, da blitzschnelle Entscheidungen anstehen
konnten, blieb keine Zeit, seitenlange Checklisten durchzugehen.
Nur
eines war wichtig: Ruhe bewahren. So lautete das oberste Gebot, das jedem
Flugschüler schon in den ersten Stunden des theoretischen Unterrichts
eingebläut wurde. Innerhalb von Sekunden hatten sie jedenfalls festgestellt,
dass alle Systeme weiterhin funktionierten und keines der Triebwerke eine
Unregelmäßigkeit meldete. Das versprach zwar eine kurze Entwarnung, nicht aber
die Lösung des Problems. Denn der Geruch blieb. Und wurde schlimmer.
Die
Männer wussten, dass es jetzt auf jedes Detail ankam – auf
jedes Kontrolllicht, auf die Anzeige eines jeden Instruments.
Mit
knappen Worten hakten sie sämtliche infrage kommenden Ursachen ab. Kurz und
prägnant, nach außen hin emotionslos. Rieder informierte sich bereits über
einen möglichen Ausweichflughafen. Denn ohne es anzusprechen, war ihnen klar,
dass eine Entscheidung über Leben und Tod anstehen würde.
Knapp
drei Minuten waren seit dem ersten Auftreten des Geruchs vergangen, als sich im
Schein der Cockpitlichter feiner Nebel ausbreitete. Rauch.
Es
brannte. Irgendwo. Die Blicke der beiden Männer trafen sich.
Sie
brauchten nicht auszusprechen, was sie dachten.
»Das
sieht gar nicht gut aus«, sagte Frohberger mit fester Stimme und drückte
entschlossen die Taste des Funkgeräts, das ihn mit dem zuständigen
Luftfahrtkontrollzentrum im kanadischen Moncton verband. »Pan-pan-pan«, meldete
er so ruhig wie möglich, obwohl diese drei Worte einen Funkruf mit hoher Priorität
einleiteten und alle anderen auf dieser Frequenz zum sofortigen Schweigen
verpflichtete. Die ›Swissair 111‹, sagte er, befinde sich in 31 000 Fuß und
etwa 66 Seemeilen südwestlich des Airports von Halifax. Frohberger teilte dem
Fluglotsen mit, dass es Rauchentwicklung im Cockpit gebe, und erbat eine
Freigabe zur Landung auf dem nächstmöglichen Flughafen. Dass er jetzt nicht
Halifax, sondern das 300 Seemeilen zurückliegende Boston in Massachusetts
vorschlug, also ein deutlich weiter entferntes Ziel, würde später für
Irritationen sorgen.
Der
Fluglotse erteilte die Freigabe. Doch schon eine knappe Minute später schlug
die sonore Männerstimme von der Flugverkehrskontrolle den viel näher gelegenen
Flughafen Halifax vor, der sich nur noch 56 Seemeilen nordöstlich vom
momentanen Kurs der Maschine befand. Frohberger akzeptierte und
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