Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
Vom Netzwerk:
Während sie den Whisky schluckte, drückte sie Rebekkahs Hand. »Sie ist sehr geliebt worden, und daran wird sich nichts ändern.«
    Dann sah sie Rebekkah an und streckte ihr das Fläschchen entgegen.
    Schweigend trank Rebekkah einen weiteren Schluck.
    »Wenn mir etwas passiert, musst du ihr Grab und meines während der ersten drei Monate hüten. Kümmere dich um die Gräber, ganz genauso, wie du es mit mir zusammen tust.« Maylene wirkte aufgewühlt. Sie umfasste Rebekkahs Hand fester. »Versprich es mir!«
    »Ich verspreche es.« Rebekkahs Herzschlag beschleunigte sich. »Bist du krank?«
    »Nein, aber ich bin eine alte Frau.« Sie ließ Rebekkahs Hand los und berührte Ella. »Ich dachte, du und Ella Mae … ihr würdet …« Maylene schüttelte den Kopf. »Ich brauche dich, Rebekkah.«
    Rebekkah erschauerte. »Gut.«
    »Drei Schlucke zu deinem Schutz. Nicht mehr und nicht weniger.« Zum dritten Mal hielt Maylene ihr das Silberfläschchen hin. »Drei auf deinen Lippen bei der Beerdigung. Drei auf den Boden, drei Monate lang. Hast du verstanden?«
    Rebekkah nickte und nahm einen dritten Schluck.
    Maylene beugte sich hinunter, um Ella auf die Stirn zu küssen. »Schlaf! Hast du mich gehört?«, flüsterte sie. »Schlaf gut, kleines Mädchen, und bleib, wo ich dich hingelegt habe.«
    Rebekkah hielt das Telefon noch immer umklammert. Sie starrte auf das Display: Maylenes Vorwahl, aber keine ihrer Nummern. »Maylene?«
    »Rebekkah Barrow?«, fragte eine Männerstimme.
    »Ja.«
    »Rebekkah, ich möchte, dass Sie sich setzen«, fuhr der Mann fort. »Sitzen Sie?«
    »Sicher«, log sie. Ihre Hände waren feucht. »Mister Montgomery? Ist ihr etwas …« Sie verstummte.
    »Ja. Es tut mir so leid, Rebekkah. Maylene ist …«
    »Nein«, unterbrach Rebekkah ihn. »Nein!«
    Als ihre Befürchtungen bestätigt wurden, geriet die Welt aus den Fugen, und sie rutschte an der Wand hinunter und brach auf dem Boden zusammen. Sie schloss die Augen, und ein Schmerz, den sie lange nicht gespürt hatte, erfüllte ihre Brust.
    »Es tut mir so leid.« Williams Stimme klang noch sanfter. »Wir haben den ganzen Tag versucht, Sie zu erreichen, doch die Nummer stimmte nicht.«
    »Wir?« Rebekkah gebot sich Einhalt, bevor sie nach Byron fragen konnte. Sie war sehr wohl in der Lage, mit einer Krise umzugehen, ohne dass er an ihrer Seite war. Er war seit Jahren nicht mehr an ihrer Seite, und sie kam ausgezeichnet zurecht. Lügnerin, dachte sie. Rebekkah spürte das taube Gefühl herannahen, den erstickenden Kummer, der in Tränen und Wehklagen Ausdruck finden würde. Doch noch konnte sie ihn nicht zulassen. In ihrem Innern hörte sie dieselben Fragen flüstern, die sie sich gestellt hatte, als Ella gestorben war. Wieso hat sie mir bloß nichts gesagt? Warum hat sie nicht angerufen? Warum hat sie nicht nach mir verlangt? Wieso war ich nicht dort?
    »Rebekkah?«
    »Ich bin noch da. Tut mir leid … Ich war nur …«
    »Ich weiß.« William hielt kurz inne. »Maylene muss innerhalb der nächsten sechsunddreißig Stunden begraben werden«, erinnerte er sie dann. »Sie müssen noch heute Abend nach Hause kommen. Sofort.«
    »Ich … sie …« Es verschlug ihr die Sprache. Die Sitte, in Claysville grüne Bestattungen vorzunehmen, bei denen die Toten nicht einbalsamiert wurden, verwirrte sie. Sie wollte nicht, dass ihre Großmutter in die Erde zurückkehrte, sondern dass sie lebte.
    Maylene ist tot.
    Wie Ella.
    Wie Jimmy.
    Rebekkah umklammerte das Telefon so fest, dass sich die Ränder in ihre Hand eingruben. »Niemand hat angerufen … auch das Krankenhaus nicht. Niemand hat mir Bescheid gesagt. Sonst wäre ich gekommen.«
    »Ich rufe doch jetzt an. Sie müssen sofort nach Hause kommen«, beschwor er sie.
    »So schnell kann ich nicht. Die Totenwache … Heute schaffe ich das nicht mehr.«
    »Das Begräbnis ist morgen. Nehmen Sie einen Nachtflug.«
    Sie dachte darüber nach, überlegte alles, was zu tun war. Cherubs Katzenkorb. Müll. Den Mülleimer hinunterbringen. Den Efeu gießen. Habe ich etwas Anständiges anzuziehen? So vieles musste geregelt werden. Konzentrier dich darauf!, redete sie sich gut zu. Konzentrier dich auf das Notwendige! Ruf bei der Fluggesellschaft an!
    »Danke. Dafür, dass Sie sich um sie kümmern, meine ich. Ich freue mich … nein, ich freue mich nicht.« Sie unterbrach sich. »Eigentlich wäre mir lieber, Sie hätten nicht angerufen, doch das würde sie auch nicht wieder lebendig machen, oder?«
    »Nein«, sagte er

Weitere Kostenlose Bücher