Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
Gherat von Dru.« Seine Stimme ging in der lauten Musik fast vollständig unter.
Ich ließ mein Glas sinken. »Losan eso Drus Vater?«
Javes nahm einen Teller und kehrte dem vollen Saal den Rücken zu. »Nein, nur ein entfernter Cousin.« Er zuckte mit den Schultern, als er begann, seinen Teller zu füllen. »Nepotismus blüht und gedeiht, Hase. Gherat ist Lordkämmerer und Kanzler der Finanzen und Steuern. Alle Steuern, die gesamte inländische Handelspolitik, die Etats der Regierung, bis auf den der Königlichen Armee, gehen durch seine Hände. Er ist ein sehr mächtiger Mann.«
Er war außerdem selbstbewusst genug, sich ohne Aufforderung in das Gespräch des Königs einzumischen. Und zwar so selbstbewusst, dass er jemanden herablassend behandelte, den der König huldvoll begrüßt hatte.
»Leutnant Slevoic ist ein naher Verwandter Gherats«, erklärte Suiden. »Ebenso wie Kommandeur Loel von der Königlichen Garnison. Sie alle entstammen dem Hause Dru.«
Ich sah meinen Hauptmann verwirrt an. Dann erinnerte ich mich an die verblüffende Ähnlichkeit zwischen Gherat und Slevoic, was meine Überraschung ein wenig linderte. In ihren blauen Augen lag sogar der gleiche abfällige Ausdruck. Ich dachte daran, wie leicht Slevoic der Zugang zum Thron fiel, und die graue Apathie legte sich wieder drückend auf mich. Ich leerte das Glas mit dem Schaumwein und fühlte, wie er sprudelnd meine Kehle hinunterlief.
»Sie haben eine ganze Reihe Schocks erlebt, Leutnant«, flüsterte Javes direkt neben meinem Ohr. »Aber Sie sollten sie lieber schnellstmöglich überwinden.«
Ich wandte mich um und starrte ihn an. Seine Miene war alles andere als komisch.
»Ein Fehltritt wird übersehen, auch wenn er Ihnen vor dem König passiert ist. Vor allem, da Sie die Scharte so schnell ausgebügelt haben. Aber wenn Sie einigermaßen ungeschoren bleiben wollen, schlage ich vor, dass Sie in Zukunft aufpassen.« Sein Blick glitt kurz zur Seite, bevor er wieder zu mir zurückzuckte. »Ihr Onkel, Lord Chause, hat sich herabgelassen, Sie zu erkennen, und ist zu uns unterwegs.«
»Es scheint außerdem, dass Ihre Cousins von der Seite der Flavan ebenfalls beschlossen haben, Sie in der Familie willkommen zu heißen«, mischte sich Suiden ein, der in eine andere Richtung blickte. Er hatte sich mit dem Schaumwein kaum die Lippen benetzt.
»Verzeiht mir meine Vermessenheit, Hoheit, aber ist das nicht Euer Cousin, der Botschafter?«
»Nichts belebt den sozialen Status so sehr wie das Wohlwollen des Königs«, erwiderte Javes. Er schob mir seinen vollen Teller in die Hand. »Hier, versuchen Sie damit den Wein aufzusaugen, den Sie gerade in sich hineingekippt haben.«
Ich blickte auf den Teller. Gefüllte Eier, gefüllte Pilze, gefüllte Weintrauben. Verschiedene Käse. Und Fischeier auf Crackern. Mit einer Zitronenscheibe. Ich schob mir einen Pilz in den Mund, kaute und schluckte ihn hinunter, als der Botschafter von Tural uns erreichte.
»Guten Abend, edle Herrn.« Der Mann verbeugte sich. Es war eine komplizierte Geste, mit viel Gewusel von Armen und Händen, während die Perlen an seinen Zöpfen klickten. »Euer Hoheit.«
Suiden trank einen Schluck Schaumwein, diesmal einen größeren, und seufzte. »Spar dir das, Kenalt.«
Der Grauschleier über dem Empfang hob sich schlagartig, als bedürfte es nur eines Familienstreits, um so eine Veranstaltung interessant zu machen. Dann fiel mir ein, was passiert war, als Suiden vorhin geneigt war, sich zu streiten, und ich trat unauffällig zwei Schritte zur Seite. Aber als der Botschafter sich aufrichtete, grinste er. »Ah, Cousin, es freut mich zutiefst zu sehen, dass Freston deine Schlagfertigkeit kein bisschen gedämpft hat.« Seine braunen Augen funkelten. »Willst du mich nicht deinen Gefährten vorstellen?«
»Botschafter Laurel, Hauptmann Javes, Leutnant Lord Hase ibn Chause e Flavan.« Suiden deutete mit einer lässigen Geste auf seinen Cousin. »Der älteste Sohn des Amir von Tural, Botschafter Sro Kenalt.«
Ich verbeugte mich mit den anderen, obgleich es mich verwirrte, dass der Botschafter kein Prinz war.
»Das königliche Geschlecht in Tural wird von den Frauen weitervererbt, Leutnant, und die Thronfolge liegt bei den Söhnen der Schwester des Amir.« Suiden trank noch einen Schluck.
Diesmal wirkte Kenalt verblüfft, zuckte dann jedoch mit den Schultern. »Genau. Wie ein Weiser einst sagte: ›Wenigstens weiß man, wer die Mutter ist.‹« Er grinste wieder, und die Clanmale in
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