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Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)

Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)

Titel: Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Freeman
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meinem Platz hinter dem Fahrer aus konnte ich ihre Reaktionen sehen, wenn sich im flackernden Licht der Straßenlaternen ihre Gesichter uns zuwandten, sobald sie begriffen, wer da gerade an ihnen vorbeigerumpelt war.
    Laurel war der Meinung, dass ein königlicher Empfang nicht der geeignete Ort wäre, einen Leichnam oder abgetrennte Körperteile zu präsentieren, also ließen wir das Elfenholz und die Drachenhaut zu Hause. Der Faena nahm nur seinen Stab mit und trug seine Perlen und Federn. Als der Palastdiener den Schlag unserer Kutsche öffnete, fiel sein Blick auf einen großen, sehr männlichen Berglöwen, der auf den Hinterbeinen stand und einen langen Stock in der Hand hielt. Der Mann brauchte keine Aufforderung, um sich tief zu verneigen, als der Faena ausstieg. Wir anderen folgten ihm und reihten uns in die Schlange der Gäste ein, welche die mit einem roten Teppich ausgelegten Marmorstufen zu dem hell erleuchteten zweiflügeligen Portal hinaufschritten. Die Gäste starrten uns zwar nicht an oder zeigten auf uns, aber sie flüsterten aufgeregt miteinander, und vor wie hinter uns entstand eine große Lücke.
    Als wir das Ende der Treppe erreichten, gab Suiden dem kleinwüchsigen und etwas vertrocknet wirkenden Haushofmeister unsere Einladungen, die er aufmerksam studierte. Offenbar überzeugt, dass wir keine ungeladenen Gäste waren, drehte er sich um und brüllte: »Botschafter Laurel, Hauptmann Prinz Suiden, Hauptmann Javes und Leutnant Lord Hase ibn Chause e Flavan!« Während ich darauf wartete, dass das Klingeln in meinen Ohren verebbte, beobachtete ich, wie Gäste, Musiker, Lakaien, die königliche Leibgarde und Bedienstete innehielten und uns anstarrten, als wir die kurze Treppe in den Empfangssaal hinabschritten.
    Ein anderer Diener des Königs hatte sich durch die Menge geschlängelt und erwartete uns jetzt am Fuß der Treppe. Als wir ihn erreichten, verbeugte er sich tief. »Heil Euch, Euer Hoheit, Botschafter Laurel, Hauptmann, Mylord. Wenn Ihr mir bitte zur Empfangsreihe folgen würdet.« Er beäugte misstrauisch den Stab des Faena. »Ehm …«
    »Ich verspreche, niemanden damit zu verprügeln«, murmelte Laurel.
    Wir wurden in einen großen Raum neben dem Hauptsaal geführt, wo sich eine weitere Schlange gebildet hatte. Eine seltsame Betäubung hatte mich schon den ganzen Nachmittag eingehüllt, und ich achtete kaum auf die Umstehenden, während wir darauf warteten, präsentiert zu werden. Als wir uns jedoch dem König näherten, fühlte ich, dass jemand mich schärfer anstarrte als die anderen. Ich drehte den Kopf und begegnete dem Blick eines Uniformierten, der einen Schritt neben dem Thron stand. Gleichzeitig strafften Javes und Suiden die Schultern.
    »Lord Thadro«, murmelte Javes mir zu. »Der Lordkommandeur der Königlichen Armee und Befehlshaber der Königlichen Garde.«
    In dem Moment verkündete jemand, der genauso aussah wie der Haushofmeister, unsere Namen, und als ich mich aus meiner Verbeugung aufrichtete, blickte ich in das lächelnde Gesicht von König Jusson dem IV. »Willkommen, Botschafter, Prinz Suiden, Hauptmann Javes.« Er hielt inne, und sein Lächeln verstärkte sich, als er seinen Blick auf mich richtete. »Und willkommen, Cousin. Willkommen zu Hause.«
    Ich war noch ein kleines Kind, als meine Eltern die Nachricht erhielten, dass König Jusson seiner Königinmutter auf den Thron gefolgt war. Er war seitdem gewachsen. Aber statt einen Mann mittleren Alters vor mir zu sehen, der bereits fünfzehn Jahre regierte, starrte ich jemanden an, der fast genauso alt zu sein schien wie ich. Außerdem ähnelte er einem dunklen Elf aus den Stadtstaaten der Grenzlande, war groß und schlank, hatte schwarzes Haar – viel schwarzes Haar, geschwungene Brauen und mandelförmige Augen, deren schwarze Iris goldgepunktet schien. Statt auf einem geschmückten Thron saß er auf einem einfachen Stuhl, der auf einem Podest stand, das nur so weit erhöht war, dass er jedem, der vor ihm stand, im Sitzen in die Augen sehen konnte. Und statt der juwelenbesetzten Kronen, die ich auf den Radierungen von Iversterres früheren Herrschern gesehen hatte, trug er ein einfaches Goldband um die Stirn. Wie die Elfenkönige der Vorzeit.
    Der König lachte. »Seht, Wir haben ihn überrumpelt.«
    Während Lordkommandeur Thadro mich fragend ansah, fühlte ich einen Ellbogen in meinen Rippen und verbeugte mich erneut. »Verzeiht mir, Majestät. Ich bin es einfach nicht gewohnt, mich als Verwandter des Königs zu

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