Grimes, Martha - Inspektor Jury 20 - Inspektor Jury kommt auf den Hund NEU
Hugh ist ja Professor an der Londoner Universität. Physik.«
»Hätte Ihr Freund Hugh nicht vielleicht ein Tatmotiv?«
»Natürlich nicht.« Harry klang irritiert. »Außerdem war er in London, was zahlreiche Leute bestätigen konnten.«
»Schon, aber das schließt nicht aus, dass er jemanden hätte beauftragen können. Und in dem Fall können Sie wetten, dass es Zeugen gibt, eine ganze Latte von Zeugen sogar.«
»Genau das hat die Polizei auch gesagt.« Harry sah Jury nachdenklich an.
Jury lachte. »Sie müssen wissen, ich bin ein großer Fan von dieser Polizeiserie - wie heißt sie gleich noch mal? Na, jedenfalls gucke ich sie mir immer im Fernsehen an.«
»Sie kennen Hugh aber nicht.«
»Da haben Sie ganz Recht. Und was geschah dann?«
»Dann kam der Privatdetektiv.« »Der aber nichts herausfand?«
Harry nickte. »In der Zwischenzeit fuhren wir nach Lark Rise zu Forester & Flynn und holten uns die Schlüssel für das leer stehende Haus. Das machen die Makler auf dem Land so, weil die Objekte manchmal ziemlich weit auseinander liegen. Ich meine, da braucht nur etwas schiefzugehen, und schon hat man den Arger.«
Wie bei Glynnis Gault, verkniff Jury sich zu sagen: »Demnach ging Mrs. Gault also doch ins Haus?«
»Das wusste die Maklerin nicht. Wenn es Glynnis von außen nicht gefiel, schaute sie wahrscheinlich gar nicht hinein.«
»Dann ist Ihre Glynnis aber ein ganz seltenes Exemplar von Frau.«
»Wieso sagen Sie das?«
»Welche Frau mit dem Schlüssel zu einem fremden Haus in der Hand würde diesen nicht benutzen? Tut mir leid, wenn es herablassend klingt. Vielleicht sollte ich sagen >welcher Mensch<. Ich habe jedenfalls festgestellt, dass Häuser und deren Inhalt für Frauen viel interessanter sind als für Männer.«
»Sie glauben, sie ist hineingegangen?«
Jury nickte. »Und weiter?«
»Die Zimmer waren geräumig, mit sehr hohen Decken, der Salon -, beziehungsweise das Wohnzimmer - mit offenbar recht wertvollen Antiquitäten ausgestattet. Es gab einen russischen Schreibtisch mit Silberintarsien und einen in Rot- und Blautönen gehaltenen, riesigen türkischen Teppich. Der Tisch war zum Tee gedeckt, mit silbernem Teegeschirr, Tassen, Untertassen und so weiter.«
»Sie meinen, wie bei Miss Havisham in dem Roman von Dickens? Hatte die nicht alles, was ihre bevorstehende Hochzeit betraf, jahrelang genauso stehen lassen?«
Harry hatte sich eine Zigarette angezündet und stieß den Rauch aus.
»Nein, das meine ich nicht.« Es schien ihn irgendwie zu ärgern, dass Jury literarische Vergleiche anstellte.
»Das Haus«, fuhr er fort, »liegt etwa sechzig Meter von der Straße entfernt. Vorne wucherte alles wild - Gras, Baumhecken, Büsche. Seitlich und hinter dem Haus, am Ende des Gartens, standen hohe Bäume, ein richtiger Wald eigentlich, alles recht dicht und ursprünglich. Sicherlich nicht der Inbegriff von einem niedlichen Cottage auf dem Lande. Hugh verstand nicht, wieso die Maklerin es Glynnis überhaupt angeboten hatte, oder dass Glynnis sich die Mühe gemacht hatte hineinzugehen. Es war ein recht imposantes Haus, aber viel zu groß.«
»Nun, vermutlich ist sie nicht die erste Maklerin, die einer Kundin eine ungeeignete Immobilie zeigt. Könnte es vielleicht sein, dass jemand Mrs. Gault erwartete? Und was ist mit dem Jungen? Und mit unserem Mungo -«
Beide sahen hinunter. Mungo beäugte wieder erst den einen, dann den anderen. Dieser Blick, dachte Jury, wirkte nicht sehnsüchtig, eher verwirrt oder zumindest verblüfft.
»Ob die Entführer wirklich vorgehabt hatten, alle drei mitzunehmen?«
»Mussten sie vielleicht, den Jungen konnten sie ja schlecht laufen lassen«, sagte Harry.
»Mungo ließen sie aber laufen.«
Harry verdrehte die Augen. »Ich nehme an, sie dachten sich, Mungo würde ja nicht gleich einen Bericht schreiben über das, was geschehen war.«
»Eine Entführung passt irgendwie gar nicht zu dem, was es sonst mit dem Haus auf sich hatte. Sie wissen also nicht, ob zwischen dem
Haus und dem Verschwinden von Glynnis und Robbie Gault eine Verbindung besteht. Es könnte einfach Zufall sein.«
Harry betrachtete seinen Drink.
»Wer ist der Besitzer des Hauses?«
»Ein gewisser Ben Torre. Genauer, Benjamin della Torre.«
»Klingt aristokratisch.«
Kopfschüttelnd hob Harry sein Glas hoch.
»Klingt auch spanisch.«
»Italienisch. Er lebt in der Nähe von Florenz.«
»Sie wissen ja gut Bescheid.«
Harry nickte. »Musste ich ja, nach allem, was passiert ist.«
»Nach
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