Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
König wieder, und die Königin bekam ein kleines Mädchen; das warfen die schlechten Schwestern auch ins Wasser. Da flog das Vögelchen wieder in die Höhe und sang:
»Tom Daude bereit,
Up wietern Bescheid
Tom Lilienstrus,
Wacker Mäken, bist du’s?«
Und wie der König nach Hause kam, sagten sie zu ihm, die Königin hätte eine Katze bekommen. Da wurde der König böse und ließ seine Frau ins Gefängnis werfen, und darin saß sie lange Jahre.
Die Kinder waren unterdessen herangewachsen; da ging der älteste einmal mit andern Jungen hinaus, um zu fischen. Sie wollten ihn aber nicht um sich haben und sagten: »Du Findling, geh deiner Wege!« Da wurde er ganz betrübt und fragte den alten Fischer, ob das wahr sei? Der erzählte ihm, daß er einmal gefischt hätte, und er hätte ihn aus dem Wasser gezogen. Da sagte der Junge, er wolle seinen Vater suchen. Der Fischer bat ihn, er möchte doch bleiben; aber er ließ sich gar nicht halten, bis es der Fischer zuletzt zugab. Da begab er sich auf den Weg und ging mehrere Tage hintereinander.
Endlich kam er zu einem allmächtig großen Wasser; davor stand eine alte Frau und fischte. »Guten Tag, Mutter«, sagte der Junge. »Großen Dank«, sagte die alte Frau. »Du mußt da wohl lange fischen, ehe du einen Fisch fängst?« – »Und du mußt wohl lange suchen, ehe du deinen Vater findest. Wie willst du denn da übers Wasser kommen?«, sagte die Frau. »Ja, das mag Gott wissen.« Da nahm ihn die alte Frau auf den Rücken und trug ihn hindurch, und er suchte lange Zeit und konnte seinen Vater nicht finden.
Als nun ein Jahr vorüber war, da zog der zweite aus und wollte seinen Bruder suchen. Er kam an das Wasser, und da ging es ihm ebenso wie seinem Bruder. Nun war nur noch die Tochter allein zu Haus; die jammerte so sehr nach ihren Brüdern, daß sie zuletzt auch den Fischer bat, er möchte sie ziehen lassen, sie wollte ihre Brüder suchen.
Da kam sie auch zu dem großen Wasser; da sagte sie zu der alten Frau: »Guten Tag, Mutter.« – »Großen Dank!«, sagte die Frau. – »Gott helfe Euch bei Eurem Fischen!« Als die alte Frau das hörte, wurde sie ganz freundlich, trug sie übers Wasser und gab ihr eine Rute und sagte zu ihr: »Nun geh nur immer auf diesem Wege weiter, meine Tochter, und wenn du bei einem großen schwarzen Hunde vorbeikommst, so mußt du still und dreist, und ohne zu lachen und ohne ihn anzusehen, vorbeigehen. Dann kommst du an ein großes offenes Schloß; auf der Schwelle mußt du die Rute fallen lassen und stracks durch das Schloß an der andern Seite wieder herausgehen. Da ist ein alter Brunnen; aus dem ist ein großer Baum gewachsen, daran hängt ein Vogel im Bauer, den nimm auf. Dann nimm noch ein Glas Wasser aus dem Brunnen und geh mit diesen beiden denselben Weg wieder zurück. Von der Schwelle nimm auch wieder die Rute mit, und wenn du dann wieder bei dem Hunde vorbeikommst, dann schlag ihm ins Gesicht; aber sieh zu, daß du ihn triffst, und dann komm nur wieder zu mir zurück.«
Da fand sie alles geradeso, wie die Frau es gesagt hatte, und auf dem Rückwege fand sie die beiden Brüder, die die halbe Welt nach einander durchsucht hatten. Sie gingen zusammen bis dahin, wo der schwarze Hund am Wege lag. Den schlug sie ins Gesicht; da wurde er ein schöner Prinz, und er ging mit ihnen bis zum Wasser. Da stand noch die alte Frau, die freute sich sehr, daß sie alle wieder da waren, und trug sie alle übers Wasser, und dann ging sie auch weg, und nun war sie erlöst. Die andern aber gingen alle zu dem alten Fischer, und alle waren froh, daß sie sich wieder gefunden hatten; den Vogel aber hängten sie an die Wand.
Den zweiten Sohn aber hielt es nicht zu Hause; er nahm einen Flitzbogen und ging auf die Jagd. Als er müde war, nahm er seine Flöte und blies sich ein Stückchen. Der König aber war auch auf der Jagd und hörte es. Da ging er zu ihm hin, und wie er den Jungen traf, da sagte er: »Wer hat dir erlaubt, hier zu jagen?« – »Oh, niemand.« – »Wem gehörst du denn?« – »Ich bin dem Fischer sein Sohn.« – »Der hat ja keine Kinder.« – »Wenn du es nicht glauben willst, so komm mit!« Das tat der König und fragte den Fischer. Der erzählte ihm alles; und das Vögelchen an der Wand fing an zu singen:
De Möhme sitt allein,
Wol in dat Kerkerlein.
O Künig, edeles Blod,
Dat sind dine Kinner god.
De falsken Süstern beide
De dehen de Kinnerkes Leide,
Wol in des Waters Grund,
Wo se de Fisker
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