Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
kam, ging er gleich ins Holzhaus und fand richtig hinter der Tür unter dem Holzstoß den Schlüssel und brachte ihn dem Herrn. Der freute sich auch nicht wenig und gab dem Hans zur Belohnung viel von dem Gold, das in der Kiste war.
Als der Hans zum König kam mit all den Sachen, mit dem Geld und dem Gold und Silber, da fragte ihn der König, wo er nur das alles bekommen habe. Da sagte der Hans, der Vogel Greif gebe einem, so viel man wolle. Da dachte der König, er könne das auch brauchen, und machte sich auf den Weg zum Vogel Greif. Aber als er zu dem Wasser kam, da war er eben der erste, der nach dem Hans kam, und der Mann stellte ihn mitten im Wasser ab und ging fort. Und der König ertrank. Der Hans aber heiratete die Tochter und wurde König.
Der starke Hans
E s war einmal ein Mann und eine Frau, die hatten nur ein einziges Kind und lebten in einem abseits gelegenen Tale ganz allein. Es trug sich zu, daß die Mutter einmal ins Holz ging, Tannenreiser zu lesen, und den kleinen Hans, der erst zwei Jahre alt war, mitnahm. Plötzlich sprangen aus dem Gebüsch zwei Räuber hervor, packten die Mutter und das Kind und führten sie tief in den schwarzen Wald, wo jahraus, jahrein kein Mensch hinkam.
Die arme Frau bat die Räuber inständig, sie mit ihrem Kinde freizulassen, aber das Herz der Räuber war von Stein; sie hörten nicht auf ihr Bitten und Flehen und trieben sie mit Gewalt an, weiterzugehen. Nachdem sie etwa zwei Stunden durch Stauden und Dörner sich hatten durcharbeiten müssen, kamen sie zu einem Felsen, wo eine Türe war, an welche die Räuber klopften und die sich alsbald öffnete.
Sie mußten durch einen langen dunklen Gang und kamen endlich in eine große Höhle, die von einem Feuer, das auf dem Herd brannte, erleuchtet war. An der Wand hingen Schwerter, Säbel und andere Mordgewehre, die in dem Lichte blinkten, und in der Mitte stand ein schwarzer Tisch, an dem vier andere Räuber saßen und spielten, und oben saß der Hauptmann. Dieser kam, als er die Frau sah, herbei, redete sie an und sagte, sie sollte nur ruhig und ohne Angst sein, sie täten ihr nichts zuleid, aber sie müßte das Hauswesen besorgen, und wenn sie alles in Ordnung hielte, sollte sie es nicht schlimm bei ihnen haben. Darauf zeigten ihr ein Bett, wo sie mit ihrem Kinde schlafen könnte.
Die Frau blieb viele Jahre bei den Räubern, und Hans ward groß und stark. Die Mutter erzählte ihm Geschichten und lehrte ihn in einem alten Ritterbuch, das sie in der Höhle fand, lesen. Als Hans neun Jahre alt war, machte er sich aus einem Tannenast einen starken Knüttel und versteckte ihn hinter das Bett; dann ging er zu seiner Mutter und sprach: »Liebe Mutter, sage mir jetzt einmal, wer mein Vater ist, ich will und muß es wissen.«
Die Mutter schwieg still und wollte es ihm nicht sagen, damit er nicht das Heimweh bekäme: sie wußte auch, daß die gottlosen Räuber den Hans doch nicht fortlassen würden; aber es hätte ihr fast das Herz zersprengt, daß Hans nicht sollte zu seinem Vater kommen. In der Nacht, als die Räuber von ihrem Raubzug heimkehrten, holte Hans seinen Knüttel hervor, stellte sich vor den Hauptmann und sagte: »Jetzt will ich wissen, wer mein Vater ist, und wenn du mir’s nicht gleich sagst, so schlag ich dich nieder.«
Da lachte der Hauptmann und gab dem Hans eine Ohrfeige, daß er unter den Tisch kugelte. Hans machte sich wieder auf, schwieg und dachte: Ich will noch ein Jahr warten und es dann noch einmal versuchen, vielleicht geht’s besser. Als das Jahr herum war, holte er seinen Knüttel wieder hervor, wischte den Staub ab, betrachtet ihn und sprach: »Es ist ein tüchtiger wackerer Knüttel.«
Nachts kamen die Räuber heim, tranken Wein, einen Krug nach dem anderen, und fingen an, die Köpfe zu hängen. Da holte der Hans seinen Knüttel herbei, stellte sich wieder vor den Hauptmann und fragte ihn, wer sein Vater wäre. Der Hauptmann gab ihm abermals eine so kräftige Ohrfeige, daß Hans unter den Tisch rollte; aber es dauerte nicht lange, so war er wieder oben und schlug mit seinem Knüttel auf den Hauptmann und die Räuber, daß sie Arme und Beine nicht mehr regen konnten. Die Mutter stand in einer Ecke und war voll Verwunderung über seine Tapferkeit und Stärke. Als Hans mit seiner Arbeit fertig war, ging er zu seiner Mutter und sagte: »Jetzt ist mir’s Ernst gewesen; aber jetzt muß ich auch wissen, wer mein Vater ist.« – »Lieber Hans«, antwortete die
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