Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
ihn am Finger umdrehte, so hörte er plötzlich etwas über seinem Kopf rauschen.
Er blickte in die Höhe und sah da Luftgeister schweben, die sagten, er wäre ihr Herr, und fragten, was sein Begehren wäre. Hans war anfangs ganz verstummt; dann aber sagte er, sie sollten ihn hinauftragen. Augenblicklich gehorchten sie, und es war nicht anders, als flöge er hinauf. Als er aber oben war, so war kein Mensch mehr zu sehen, und als er in das Schloß ging, so fand er auch dort niemand. Der Tannendreher und der Felsenklipperer waren fortgeeilt und hatten die schöne Jungfrau mitgeführt. Aber Hans drehte den Ring; da kamen die Luftgeister und sagten ihm, die zwei wären auf dem Meer.
Hans lief und lief in einem fort, bis er zu dem Meeresstrand kam; da erblickte er weit, weit auf dem Wasser ein Schiffchen, in welchem seine treulosen Gefährten saßen. Und im heftigen Zorn sprang er, ohne sich zu besinnen, mitsamt seinem Stab ins Wasser und fing an zu schwimmen; aber der zentnerschwere Stab zog ihn tief hinab, daß er fast ertrunken wäre. Da drehte er noch zu rechter Zeit den Ring; alsbald kamen die Luftgeister und trugen ihn, so schnell wie der Blitz, in das Schiffchen. Da schwang er seinen Stab und gab den bösen Gesellen den verdienten Lohn und warf sie hinab ins Wasser; dann aber ruderte er mit der schönen Jungfrau, die in den größten Ängsten gewesen war und die er zum zweiten Male befreit hatte, heim zu ihrem Vater und ihrer Mutter und ward mit ihr verheiratet.
Das Bürle im Himmel (Alemannisch)
S isch emol es arms fromms Bürle gstorbe, und chunt do vor d’ Himmelspforte. Zur gliche Zit isch au e riche riche Herr do gsi, und het au i Himmel welle. Do chunt der heilige Pedrus mitem Schlüssel, und macht uf, und lot der Herr ine; das Bürle het er aber, wies schint, nid gseh, und macht d’ Pforte ämel wieder zue.
Do het das Bürle vorusse ghört wie de Herr mit alle Freude im Himmel uf gno wurde isch, und wie se drin musiziert und gsunge händ. Ändle isch es do wider still worde, und der heilig Petrus chunt, macht d’ Himmelspforte uf, und lot das Bürle au ine. S Bürle het do gmeint s werd jetz au musiziert und gsunge, wenn es chöm, aber do isch alles still gsi; me hets frile mit aller Liebe ufgno, und d’ Ängele sind em egäge cho, aber gsunge het niemer (niemand).
Do fragt das Bürle der heilig Petrus worum das me be im nid singe wie be dem riche Herr, s geu, schints, do im Himmel au parteiisch zue wie uf der Erde. Do säit der heilig Petrus »nai wäger, du bisch is so lieb wie alle andere, und muesch alle himmlische Freude gniesse wie de rich Herr, aber lueg, so arme Bürle, wie du äis bisch, chömme alle Tag e Himmel, so ne riche Herr aber chunt nume alle hundert Jahr öppe äine.«
Das Bäuerlein im Himmel
E s ist einmal ein armes, frommes Bäuerlein gestorben; und nun kam es vor die Himmelspforte. Zur gleichen Zeit ist auch ein reicher, reicher Herr da gewesen und hat auch in den Himmel gewollt. Da kommt der heilige Petrus mit dem Schlüssel, macht auf und läßt den Herrn herein; das Bäuerlein hat er aber, wie’s scheint, nicht gesehen und machte also die Pforte wieder zu. Da hat das Bäuerlein von außen gehört, wie der Herr mit aller Freude im Himmel aufgenommen worden ist, und wie sie drinnen musiziert und gesungen haben.
Endlich ist’s da drinnen wieder still geworden, und der heilige Petrus kommt, macht die Himmelspforte auf und läßt das Bäuerlein ein. Da hat das Bäuerlein gemeint, es werde jetzt auch musiziert und gesungen, wenn er käme; aber da ist alles still gewesen. Man hat’s freilich mit aller Liebe aufgenommen, und die Engel sind ihm entgegengegangen – aber gesungen hat niemand. Da fragt das Bäuerlein den heiligen Petrus, warum daß man bei ihm nicht singt wie bei dem reichen Herrn; es ginge da, scheint’s, im Himmel auch parteiisch zu wie auf der Erde.
Da sagt der heilige Petrus: »Aber gewiß nicht, du bist uns so lieb wie alle anderen und darfst alle himmlische Freude genießen wie der reiche Herr; aber schau, so arme Bäuerlein, wie du eines bist, kommen alle Tag’ in den Himmel; so ein reicher Herr aber – da kommt alle hundert Jahre nur etwa einer.«
Die hagere Liese
G anz anders als der faule Heinz und die dicke Trine, die sich von nichts aus der Ruhe bringen ließen, dachte die hagere Liese. Sie äscherte sich ab von Morgen bis Abend und lud ihrem Mann, dem langen Lenz, so viel Arbeit auf, daß er
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