Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
zwölften nicht sah, war sie voll Angst und Zorn und schlug es so gewaltig zu, daß das Glas in allen Fenstern in tausend Stücke zersprang und das ganze Schloß erzitterte.
Sie ging zurück und fühlte das Meerhäschen unter ihrem Zopf; da packte sie es, warf es zu Boden und rief: »Fort, mir aus den Augen!«
Es lief zum Kaufmann, und beide eilten zur Quelle, wo sie sich untertauchten und ihre wahre Gestalt zurückerhielten. Der Jüngling dankte dem Fuchs und sprach: »Der Rabe und der Fisch sind blitzdumm gegen dich, du weißt die rechten Pfiffe, das muß wahr sein!«
Der Jüngling ging geradezu in das Schloß. Die Königstochter wartete schon auf ihn und fügte sich ihrem Schicksal. Die Hochzeit ward gefeiert, und er war jetzt der König und Herr des ganzen Reichs. Er erzählte ihr niemals, wohin er sich zum drittenmal versteckt und wer ihm geholfen hatte, und so glaubte sie, er habe alles aus eigener Kunst getan, und hatte Achtung vor ihm; denn sie dachte bei sich: Der kann doch mehr als du!
Der Räuber und seine Söhne
E s war einmal ein Räuber, der hauste in einem großen Walde, und lebte mit seinen Gesellen in Schluchten und Felsenhöhlen, und wenn Fürsten, Herrn und reiche Kaufleute auf der Landstraße zogen, so lauerte er ihnen auf, und raubte ihnen Geld und Gut. Als er zu Jahren kam so gefiel ihm das Handwerk nicht mehr, und es gereute ihn daß er so viel Böses getan hatte.
Er hub also an ein besseres Leben zu führen, lebte redlich, und tat Gutes, wo er konnte. Die Leute wunderten sich daß er sich so schnell bekehrt hatte, aber sie freuten sich darüber. Er hatte drei Söhne, als die herangewachsen waren, rief er sie vor sich, und sprach: »liebe Kinder, sagt mir was für ein Handwerk wollt ihr erwählen, womit ihr euch ehrlich ernähren könnt?«
Die Söhne besprachen sich mit einander, und gaben ihm dann zur Antwort »der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, wir wollen uns ernähren, wie ihr euch ernährt habt: wir wollen Räuber werden. Ein Handwerk, wobei wir von Morgen bis Abend uns abarbeiten, und doch wenig Gewinn und ein mühseliges Leben haben, das gefällt uns nicht.«
»Ach, liebe Kinder«, antwortete der Vater, »warum wollt ihr nicht ruhig leben und mit wenigem zufrieden sein. Ehrlich währt am längsten. Die Räuberei ist eine böse und gottlose Sache, die zu einem schlimmen Ende führt: an dem Reichtum, den ihr zusammenbringt, habt ihr keine Freude: ich weiß ja wie es mir dabei zu Mut gewesen ist. Ich sage euch es nimmt einen schlechten Ausgang. Der Krug geht so lange zu Wasser bis er bricht: ihr werdet zuletzt ergriffen, und an den Galgen gehenkt.«
Die Söhne aber achteten nicht auf seine Ermahnungen, und blieben bei ihrem Vorsatz.
Nun wollten die drei Jünglinge gleich ihr Probestück machen. Sie wussten daß die Königin in ihrem Stall ein schönes Pferd hatte, das von großem Wert war, das wollten sie ihr stehlen. Sie wussten auch daß das Pferd kein ander Futter fraß als ein saftiges Gras, das allein in einem feuchten Wald wuchs. Sie gingen also hinaus, schnitten das Gras ab, und machten einen großen Bündel daraus, in welchen die beiden ältesten den jüngsten und kleinsten steckten, so dass er nicht konnte gesehen werden.
Sie trugen den Bündel auf den Markt, wo der Stallmeister der Königin ihn kaufte, zu dem Pferd in den Stall tragen und hinlegen ließ. Als es Mitternacht war, und jedermann schlief, machte sich der Kleine aus dem Grasbündel heraus, band das Pferd ab, zaumte es mit dem goldenen Zaum, und legte ihm das goldgestickte Reitzeug an, und die Schellen, die daran hingen, verstopfte er mit Wachs, damit sie keinen Klang gäben. Dann öffnete er die verschlossene Pforte, und ritt auf dem Pferd in aller Eile fort nach dem Ort, wohin ihn seine Brüder beschieden hatten. Allein die Wächter in der Stadt bemerkten den Dieb, eilten ihm nach, und als sie ihn draußen mit seinen Brüdern fanden, nahmen sie alle drei gefangen, und führten sie in das Gefängnis.
Am andern Morgen wurden sie vor die Königin geführt, und als diese sah daß es drei schöne Jünglinge waren, so forschte sie nach ihrer Herkunft, und vernahm daß es die Söhne des alten Räubers wären, der seine Lebensweise geändert und als ein gehorsamer Untertan gelebt hatte. Sie ließ sie also wieder in das Gefängnis zurückführen und bei dem Vater anfragen ob er seine Söhne lösen wollte. Der Alte kam, und sagte: »meine Söhne sind nicht wert daß
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