Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
er sich befand, hätte er alles bewilligt. Er sagte also zu und trug das Korn heim.
Es war, als hätte der Reiche vorausgesehen, was geschehen würde. Nach drei Tagen fiel er plötzlich tot zur Erde; man wußte nicht recht, wie es zugegangen war, aber niemand trauerte um ihn. Als er bestattet war, fiel dem Armen sein Versprechen ein; gerne wäre er davon entbunden gewesen, aber er dachte: Er hat sich gegen dich doch mildtätig erwiesen, du hast mit seinem Korn deine hungrigen Kinder gesättigt, und wäre das auch nicht, du hast einmal das Versprechen gegeben und mußt du es halten. Bei einbrechender Nacht ging er auf den Kirchhof und setzte sich auf den Grabhügel. Es war alles still, nur der Mond schien über die Grabhügel, und manchmal flog eine Eule vorbei und ließ ihre kläglichen Töne hören. Als die Sonne aufging, begab sich der Arme ungefährdet heim, und ebenso ging die zweite Nacht ruhig vorüber. Den Abend des dritten Tags empfand er eine besondere Angst; es war ihm, als stände noch etwas bevor. Als er hinauskam, erblickte er an der Mauer des Kirchhofs einen Mann, den er noch nie gesehen hatte. Er war nicht mehr jung, hatte Narben im Gesicht, und seine Augen blickten scharf und feurig umher. Er war ganz von einem alten Mantel bedeckt, und nur große Reiterstiefeln waren sichtbar. »Was sucht Ihr hier?«, redete ihn der Bauer an, »gruselt Euch nicht auf dem einsamen Kirchhof?« – »Ich suche nichts«, antwortete er; »aber ich fürchte auch nichts. Ich bin wie der Junge, der ausging, das Gruseln zu lernen, und sich vergeblich bemühte; der aber bekam die Königstochter zur Frau und mit ihr große Reichtümer, und ich bin immer arm geblieben. Ich bin nichts als ein abgedankter Soldat und will hier die Nacht zubringen, weil ich sonst kein Obdach habe.« – »Wenn Ihr keine Furcht habt«, sprach der Bauer, »so bleibt bei mir und helft mir dort den Grabhügel bewachen.«
»Wacht halten ist Sache des Soldaten«, antwortete er; »was uns hier begegnet, Gutes oder Böses, das wollen wir gemeinschaftlich tragen.«
Der Bauer schlug ein, und sie setzten sich zusammen auf das Grab.
Alles blieb still bis Mitternacht; da ertönte auf einmal ein schneidendes Pfeifen in der Luft, und die beiden Wächter erblickten den Bösen, der leibhaftig vor ihnen stand. »Fort, ihr Halunken«, rief er ihnen zu, »der in dem Grab liegt, ist mein; ich will ihn holen, und wo ihr nicht weggeht, dreh ich euch die Hälse um.« – »Herr mit der roten Feder«, sprach der Soldat, »Ihr seid mein Hauptmann nicht, ich brauch Euch nicht zu gehorchen, und das Fürchten hab ich noch nicht gelernt. Geht Eurer Wege, wir bleiben hier sitzen.«
Der Teufel dachte: Mit Gold fängst du die zwei Haderlumpen am besten, zog gelindere Saiten auf und fragte ganz zutraulich, ob sie nicht einen Beutel mit Gold annehmen und damit heimgehen wollten. »Das läßt sich hören«, antwortete der Soldat; »aber mit einem Beutel voll Gold ist uns nicht gedient! Wenn Ihr so viel Gold geben wollt, als da in einen von meinen Stiefeln geht, so wollen wir Euch das Feld räumen und abziehen.« – »Soviel habe ich nicht bei mir«, sagte der Teufel; »aber ich will es holen. In der benachbarten Stadt wohnt ein Wechsler, der mein guter Freund ist, der streckt mir gerne soviel vor.«
Als der Teufel verschwunden war, zog der Soldat seinen linken Stiefel aus und sprach: »Dem Kohlenbrenner wollen wir schon eine Nase drehen! Gebt mir nur Euer Messer, Gevatter.«
Er schnitt von dem Stiefel die Sohle ab und stellte ihn neben den Hügel in das hohe Gras an den Rand einer halb überwachsenen Grube. »So ist alles gut«, sprach er, »nun kann der Schornsteinfeger kommen.«
Beide setzten sich und warteten; es dauerte nicht lange, so kam der Teufel und hatte ein Säckchen Gold in der Hand. »Schüttet es nur hinein«, sprach der Soldat und hob den Stiefel ein wenig in die Höhe; »das wird aber nicht genug sein.«
Der Schwarze leerte das Säckchen, das Gold fiel durch, und der Stiefel blieb leer. »Dummer Teufel«, rief der Soldat, »es schickt nicht! Habe ich es nicht gleich gesagt? Kehrt nur wieder um und holt mehr.«
Der Teufel schüttelte den Kopf, ging und kam nach einer Stunde mit einem viel größeren Sack unter dem Arm. »Nur eingefüllt«, rief der Soldat; »aber ich zweifle, daß der Stiefel voll wird.«
Das Gold klingelte, als es hinabfiel, und der Stiefel blieb leer. Der Teufel blickte mit seinen glühenden
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