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Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)

Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)

Titel: Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Carl Grimm , Jacob Ludwig Carl Grimm
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das Gedächtnis wieder. »Ach«, rief er, »wie habe ich so treulos handeln können? Aber der Kuß, den ich meinen Eltern in der Freude meines Herzens auf die rechte Wange gegeben habe, der ist schuld daran, das hat mich betäubt.«
     
    Er sprang auf, nahm die Königstochter bei der Hand und führte sie zu dem Bett seiner Eltern. »Das ist meine rechte Braut«, sprach er; »wenn ich die andere heirate, so tue ich großes Unrecht.«
     
    Die Eltern, als sie hörten, wie alles sich zugetragen hatte, willigten ein. Da wurden die Lichter im Saal wieder angezündet, Pauken und Trompeten herbeigeholt, die Freunde und Verwandten eingeladen, wiederzukommen, und die wahre Hochzeit ward mit großer Freude gefeiert. Die erste Braut behielt die schönen Kleider zur Entschädigung und gab sich zufrieden.
     

Die Kornähre
     
    V orzeiten, als Gott noch selbst auf Erden wandelte, da war die Fruchtbarkeit des Bodens viel größer, als sie jetzt ist! Damals trugen die Ähren nicht fünzig- oder sechzigfältig, sondern vier- bis fünfhundertfältig. Da wuchsen die Körner am Halm von unten bis oben hinauf; so lang er war, so lang war auch die Ähre. Aber die Menschen werden gleichgültig und leichtsinnig. Eines Tages ging eine Frau an einem Kornfeld vorbei, und ihr kleines Kind, das neben ihr sprang, fiel in eine Pfütze und beschmutzte sein Kleidchen. Da riß die Mutter eine Handvoll der schönen Ähren ab und reinigte ihm damit das Kleid. Als der Herr, der eben vorüberkam, das sah, zürnte er und sprach: »Fortan soll der Kornhalm keine Ähre mehr tragen! Die Menschen sind der himmlischen Gabe nicht länger wert.«
     
    Die Umstehenden, die das hörten, erschraken, fielen auf die Knie und flehten, daß er noch etwas möchte an dem Halm stehen lassen! Wenn sie selbst es auch nicht verdienten, doch der unschuldigen Hühner wegen, die sonst verhungern müßten. Der Herr, der ihr Elend voraussah, erbarmte sich und gewährte die Bitte. Also blieb noch oben die Ähre übrig, wie sie jetzt wächst.
     

Der Grabhügel
     
    E in reicher Bauer stand eines Tages in seinem Hof und schaute nach seinen Feldern und Gärten. Das Korn wuchs kräftig heran, und die Obstbäume hingen voller Früchte. Das Getreide des vorigen Jahrs lag noch in so mächtigen Haufen auf dem Boden, daß es kaum die Balken tragen konnten. Dann ging er in den Stall, da standen die gemästeten Ochsen, die fetten Kühe und die spiegelglatten Pferde.
     
    Endlich ging er in seine Stube zurück und warf seine Blicke auf die eisernen Kasten, in welchen sein Geld lag. Als er so stand und seinen Reichtum übersah, klopfte es auf einmal heftig bei ihm an. Es klopfte aber nicht an die Türe seiner Stube, sondern an die Türe seines Herzens. Sie tat sich auf, und er hörte eine Stimme, die zu ihm sprach: »Hast du den Deinigen damit wohlgetan? Hast du die Not der Armen angesehen? Hast du mit den Hungrigen dein Brot geteilt? War dir genug, was du besaßest, oder hast du noch immer mehr verlangt?«
     
    Das Herz zögerte nicht mit der Antwort: »Ich bin hart und unerbittlich gewesen und habe den Meinigen niemals etwas Gutes erzeigt. Ist ein Armer gekommen, so habe ich mein Auge weggewendet. Ich habe mich um Gott nicht bekümmert, sondern nur an die Mehrung meines Reichtums gedacht. Wäre alles mein eigen gewesen, was der Himmel bedeckt, dennoch hätte ich nicht genug gehabt.«
     
    Als er diese Antwort vernahm, erschrak er heftig; die Knie fingen an ihm zu zittern, und er mußte sich niedersetzen. Da klopfte es abermals an, aber es klopfte an die Türe seiner Stube. Es war sein Nachbar, ein armer Mann, der ein Häufchen Kinder hatte, die er nicht mehr sättigen konnte. Ich weiß, dachte der Arme, mein Nachbar ist reich, aber er ist ebenso hart; ich glaube nicht, daß er mir hilft; aber meine Kinder schreien nach Brot, da will ich es wagen. Er sprach zu dem Reichen: »Ihr gebt nicht leicht etwas von dem Eurigen weg; aber ich stehe da wie einer, dem das Wasser bis an den Kopf geht. Meine Kinder hungern, leiht mir vier Malter Korn.«
     
    Der Reiche sah ihn lange an; da begann der erste Sonnenstrahl der Milde einen Tropfen von dem Eis der Habsucht abzuschmelzen. »Vier Malter will ich dir nicht leihen«, antwortete er, »sondern achte will ich dir schenken, aber eine Bedingung mußt du erfüllen.« – »Was soll ich tun?«, sprach der Arme. »Wenn ich tot bin, sollst du drei Nächte an meinem Grab wachen.«
     
    Dem Bauer ward bei dem Antrag unheimlich zumut; doch in der Not, in der

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