Grippe
an.
Dies nun hatte er noch nie gesehen. Es war furchtbar.
» Jesus«, flüsterte McFall. Er konnte nicht wegschauen. »Fuck, sie essen sie …«
5
Karen stellte die Teekanne auf den Untersetzer neben Milch und Zucker. Eine Tasse – ebenfalls auf einem Untersetzer – schob sie Pat zu, eine zweite behielt sie selbst. Erst nachdem sie ihm eingeschenkt hatte, hockte sie sich zu ihm an den Tisch.
»Es ist der Kopf«, sprach Pat und starrte ins Leere. »Man muss ihnen in die Birne schießen.«
»Aha«, entgegnete sie lächelnd. »Willst du einen Keks?«
Sein Blick klarte auf, als wolle er sich das Gebäck ansehen. Sofort fuhr Karen hoch und beeilte sich, etwas davon zu seiner Begutachtung auf einen Teller zu legen. »Schoko oder mit Marmelade?«, fragte sie dann, indem sie den Teller auf einem weiteren Untersetzer abstellte.
»Hast du auch einfache aus Vollkorn?«, erwiderte er. »Ich muss auf mein Cholesterin achten, verstehst du?«
»Nein, aber ich könnte –«
»Wundert mich, dass er nicht umgefallen ist, als ich sein Herz traf.« Schon hatte er die Kekse wieder vergessen. »Ich meine, so ziemlich alles stirbt ohne Herz. Was treibt sie an, wenn nicht das?«
»Also, ich –«
»Noch etwas: Hast du gesehen? Sie atmen nicht.«
»Nun, vielleicht –«
»Sie rotzen, würgen, husten Blut und dergleichen, aber Luft holen sie nicht. Möglich, dass sie das alles gewohnheitsmäßig machen. Wäre ja nachvollziehbar, weil sie tot sind und so …«
Karen antwortete nicht, sondern stand vom Tisch auf und zog mit zittrigen Händen ein Taschentuch aus der Hosentasche. Sie hielt es sich vors Gesicht und schluckte Tränen hinunter.
Pat schaute zu ihr auf und rückte seinen Stuhl zurück, als er merkte, dass sie weinte.
»Hey, tut mir leid. Ich –« Er räusperte sich und sah peinlich berührt aus. Er war so geeicht, dass er ungern Tränen sah oder emotionale Ausbrüche generell.
»Schon okay«, versicherte sie und tupfte ihre Augenwinkel trocken, ehe sie ein arg gekünsteltes Lächeln aufsetzte. »Es ist nur, weil das alles so –«
» Ja, ich weiß«, pflichtete er bei. Dann ging er hinüber zu dem breiten Fenster und schaute ins Dunkel. Karen hatte überall in der Wohnung Kerzen angezündet, die über Meilen hinweg wohl den einzigen hellen Flecken bildeten abgesehen vom Mond, den die Wolken jedoch verhüllten. Die Lichter in Belfast gehen nicht mehr an, dachte Pat, und dies machte ihm heute Nacht mehr Sorgen als je zuvor.
Jetzt konnte er keinen von ihnen sehen. Wäre er bemüht gewesen, genau hinzuhören, hätte er vielleicht das Fauchen und Husten der Eingesperrten in den unteren Stockwerken wahrgenommen. Hier oben waren sie relativ sicher, was ihn beruhigte, aber wirklich nur ein wenig.
Er drehte sich um. Seine niedliche Gefährtin saß wieder am Tisch und nippte artig Tee. Diese Welt war nichts für sie. Falls sie sich nicht veränderte und anpasste, würde sie nicht überleben. Er musste ihr ein paar Tricks beibringen, damit sie weiterhin unversehrt blieb.
Schließlich trat Pat hinüber zu dem kleinen Waffenarsenal, das er heute Mittag zusammengeklaubt hatte, und nahm eine Heckler & Koch USP aus dem Koffer, um sie zu mustern.
»Morgen bringe ich dir bei, wie man schießt.« Er schaute Karen an und hielt die Pistole hoch. »Damit.«
Pat stand früh auf, wurde faktisch beim ersten Sonnenstrahl wach, der durch das dünne Gewebe der schäbigen Vorhänge seines Schlafzimmers fiel. Sein eigenes war es strenggenommen nicht, und ehrlich gesagt wussten weder Karen noch er, wem die Wohnung, in die sie gezogen waren, vor dem Ausbruch der Grippe gehört hatte. Sie war eben leer gewesen und verhältnismäßig sicher, was ihnen genügte, um sie als eine Art Zuhause zu annektieren.
Nachdem er sich die tief im Schädel versunkenen, müden Augen gerieben hatte, seufzte Pat und wuchtete seinen steifen Körper aus dem Bett. Die Jahre hatten es nicht gut mit seinen Knochen gemeint, und was jetzt zweifelsfrei hinzukam, war das gestrige Ab und Auf im Treppenhaus.
Er zog den Kleiderschrank auf und nahm einen Morgenmantel nebst Handtuch heraus. Dann begab er sich ins Bad, nicht ohne auf dem Flur eine Flasche stilles Mineralwasser aufzulesen, als er an ihrem allmählich schwindenden Vorrat vorbeiging. Die brauchte er, um das kleine Becken zu füllen und seinen Oberkörper einer Katzenwäsche zu unterziehen. Ehe er sich die Zähne putzte, wechselte er das Wasser. Danach nahm er ein paar Baby-Hygienetücher aus dem
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