Grippe

paar lungern aber noch rum.«
    Dann schaute er Geri an, weit oberflächlicher und unfreundlicher als sein Kollege. »Die sind kreuzdämlich«, wetterte er. Seine Aussprache klang unwirsch, die Worte zäh wie Haferschleim. »Nach einer Weile vergessen sie, was sie getan haben und warum. Dann ziehen sie weiter. Vor fünf Minuten waren es noch an die dreißig, jetzt sind nur noch fünf, sechs übrig.« Er trat einen Schritt zurück, als sei er deshalb stolz auf sich selbst.
    Nun gut, zwar war er nicht der umgänglichste Typ – ungehobelt und rundheraus, bewaffnet und gebaut wie ein Backsteinhaus mit Uniform –, doch trotzdem fühlte sich Geri in seiner Gegenwart sicher. In einer Welt wie dieser kamen einer jungen Frau solche Vorzüge gerade recht. Zusammen mit seinem besonnenen, schnuckligen Partner war es die perfekte Kombination, ihre persönlichen Starsky und Hutch. Dieses eingespielte Duo schien ihr sagen zu wollen: Entspann dich. Jetzt da wir hier sind, wird alles wieder gut – und nichts brauchte sie im Moment so dringend wie Entspannung.
    »Die zwei Männer im Anbau«, bemerkte der nette Bulle plötzlich. »Wer sind sie, und warum haben Sie sie ausgesperrt?«
    »Ach, die?« Geri lachte, denn sie hatte ihre Peiniger tatsächlich vergessen. »Die hielten sich schon vor mir hier auf und wollten mich draußen festhalten, weil sie glaubten, ich sei infiziert, aber ich hab ’ s geschafft, sie auszustechen.«
    »Das glaube ich sofort«, entgegnete er fast so, als wolle er flirten.
    Geri lächelte leicht verlegen. Dabei verstand sie gar nicht, weshalb sie wie ein kleines Naivchen darauf ansprang. Wahrscheinlich lag es an der Uniform. Deretwegen fühlte sie sich nicht nur behaglich und sicher; dahinter steckte mehr. Wie viele andere Frauen aus ihrem Umfeld war Geri schon immer in uniformierte Männer vernarrt gewesen, und in dieser neuen, abgefuckten Welt kam hinzu, dass es plötzlich niemanden mehr zu geben schien, der eine Begabung für irgendetwas an den Tag legte.
    »Wie sieht Ihr Plan nun aus?«, fragte sie, indem sie beide Männer abwechselnd anschaute.
    Sie tauschten Blicke aus, was Geri ein wenig nervte. Dann lächelte der Jüngere wieder und bot ihr die Hand an, um ihr beim Aufstehen zu helfen.
    »Der Plan sieht folgendermaßen aus.« Die andere Hand legte er seinem Partner auf die Schulter. »Den Großen hier lassen wir Wache halten, während Sie meine Fremdenführerin durchs Haus spielen – vorzugsweise bei einer Tasse Tee.«
    Geri grinste erneut, reichte ihm die Hand und ließ sich vom Sofa ziehen.
    »Mit Zucker?«, fragte sie.
    »Immer«, antwortete er verschmitzt.

    Lark erhob sich, um unruhig auf- und abzugehen, was er wie ein in die Enge getriebener Panther wiederholte.
    Er dachte zurück an die Zeit, da das Leben noch viel einfacher gewesen war und seine Gesundheit nicht andauernd in Gefahr. Damals hatte er am Empfang in Belfasts bekanntem Tätowierstudio Gen X gearbeitet, wobei ihm höchstens verkiffte Sechzehnjährige mit gefälschten Ausweisen und ein meckernder Arsch von Boss auf die Nerven gefallen waren. Natürlich hatte er auch damals ständig über sein Elend geklagt, aber rückblickend war es ihm eigentlich recht gut gegangen. Das dämmerte ihm nach und nach.
    Gleichgültig hob er einen Topf vom Boden auf und ließ ihn sofort wieder fallen, als sei er glühend heiß, weil er feststellte, dass es derjenige war, in den Geri drei Tage lang gepinkelt hatte.
    » Verdammte Scheiße«, knarzte er und trat gegen den Schrank unterm Spülbecken – so fest, dass sein Fuß trotz seiner Doc Martens wehtat. Er hatte wirklich geglaubt, Geri zu Recht ausgesperrt zu haben. So war es in den News empfohlen worden, nicht wahr? Stellen Sie auch Ihre Familie unter Quarantäne , hatte es geheißen, Ihre Nachbarn und sogar sich selbst, falls Sie Symptome wie Schnupfen, Husten oder Kratzen im Hals bemerken. Es ist unabdingbar.
    Gegen Ende hatten sie natürlich diese Linkswichser im gelben Ganzkörperkondom geschickt, die schnauften wie Darth Vader, um das mit der Quarantäne zu regeln. Genau deshalb fürchtete er sich auch vor den beiden Neuankömmlingen, denn Lark hatte ein paarmal mitansehen müssen, wie Quarantäne mit Ausrottung gleichgesetzt worden war.
    Er hing damals mit ein paar Kumpels herum. Sie chillten, kippten sich eine Menge Bier hinter die Binde und rauchten ganze Grasplantagen, während der Rest der Welt in die Binsen ging. Dies schien der beste Weg zu sein, damit klarzukommen, vermutlich auch der