Grippe
Vorhängen duckte, jedoch ohne das Geschehen draußen zu verpassen.
Beizeiten schob sich ein respekteinflößendes Gewehr mit langem, schwarzem Lauf aus dem Auto und zielte auf den nächstbesten Toten. Ein gedämpfter Schuss zog ihm eine zünftige Furche auf dem Kopf, worauf er umfiel.
Drei weitere Kadaver rückten naseweis wie Stechmücken heran, als sei der Gewehrkolben eine Kerze. Einer erinnerte Geri an eine ehemalige Arbeitskollegin, weil er ähnliche Kleider trug und wie jene Bekannte gestylt war. Dass es sich nicht um anonyme Monster handelte, beunruhigte sie. Die dort draußen konnten genauso gut Freunde oder Nachbarn sein, ja sogar … Familienangehörige. Zwei weitere Schüsse schalteten den Wiedergänger von Geris Mitarbeiterin relativ mühelos aus, wobei die Blutfontänen, die geradewegs aus dem Körper stoben, das vertraute Weiß des Polizeiautos wie Nadelstreifen bemusterten.
Ein zweites Gewehr erschien am hinteren Fenster. Es sah dem ersten ähnlich – lang, schwarz glänzend in der Sonne – und beseitigte weitere Tote, die geradezu verdattert zuckelten und schnüffelten, auf die gleiche effektive Weise mit lautlosem Mündungsfeuer. Nicht lange, und die Rotte war deutlich dezimiert, sodass Geri das Auto besser sehen konnte. Die beiden Waffen wurden wieder hineingezogen.
Mehrere Sekunden tropften zäh wie Wasser von Stalaktiten dahin, bevor die Türen des Landrovers aufgingen. Zwei Männer stiegen aus, einer von hinten sowie der Fahrer. Einer – kräftig gebaut und im Kampfanzug – zeigte aufs Haus und ging zügig durch den Mob, indem er sich den Weg mit dem Gummiknüppel freihielt. Sein Partner, der die gleiche Kleidung trug, aber schlanker war, folgte mit einem großen Rucksack. Sie kamen zur Tür.
Geri eilte zum Hausflur, als hätte man es ihr befohlen. Am Eingang dämmerte ihr allerdings, dass sie gar keinen Schlüssel hatte. Ihr war nicht klar gewesen, dass McFall und Lark abgeschlossen hatten, weshalb sie bis zuletzt annahm, die Tür leicht von innen öffnen zu können.
» Fuck, fuck, fuck, fuck!«, wiederholte sie gebetsmühlenartig.
Die Polizisten hämmerten an die Tür und riefen laut. Sie hörte es deutlich und hätte sich unter normalen Umständen nicht darüber gefreut; aber da die beiden Idioten auf der Terrasse ihre einzige Alternative zum Alleinsein darstellten, war Geri froh, die beiden Gesetzeshüter mit ins Spiel zu bringen.
Weil sie noch nicht wusste, wie sie das anstellen sollte, machte sie kehrt und lief nach hinten, während sie den Terrassenschlüssel aus der Tasche zog, und nicht ohne sich den Revolver zu schnappen, als sie am Küchentisch vorbeiging. Sie öffnete die Tür und fuchtelte unkontrolliert mit der Waffe vor den beiden Männern herum.
»Haustürschlüssel. Wo?«
»Keine Chance.« Lark schüttelte den Kopf. »Wir wissen nicht, wer das –«
»Die Bullen, Mann!«, gellte Geri. Sie hatte keine Zeit zu verlieren. »Gib mir den Scheiß Schlüssel!«
Lark wollte diskutieren: »Woher weißt du das?«
»Weil sie so aussehen wie Bullen, so schießen, so angezogen sind und in einem gottverdammten Bullen-Landrover anrollen!«
»Erzähl keinen Stuss«, warf McFall ein, der genauso wenig überzeugt war.
»Ich schwöre bei Gott, ich puste euch um, wenn ihr nicht sofort –«
»Schon gut!«, schrie Lark, der daran wohl keinen Zweifel hatte. »In der untersten Schublade im Schrank in der –«
Geri war verschwunden, noch ehe er den Satz beenden konnte, hatte die Terrasse aber geflissentlich wieder abgesperrt. Dann warf sie den Schlüssel auf den Küchentisch und durchsuchte besagte Schrankschublade, während sie den Revolver in der anderen Hand hielt. Tatsächlich fand sie einen Bund, dessen Schlüssel nach Haustür aussahen, unter einem Stapel Putz- und Geschirrtücher.
Unterdessen ging das Klopfen vorne weiter, mittlerweile lauter. Die Stimmen der beiden Beamten klangen verzweifelt. Geri lief zum Eingang, nestelte an dem Bund und probierte jeden einzelnen Schlüssel aus. Endlich passte einer, sie drehte ihn um und wollte die Tür gerade aufreißen, als sie voller Zorn bemerkte dass die Sicherheitskette eingehängt war. Fluchend knallte sie wieder zu, entriegelte und zog die Tür endlich auf.
Die folgenden Sekunden vergingen wie in Trance für Geri, die zu Boden geworfen wurde, als Eindrücke von Kampfanzügen, grapschenden, toten Händen und aufgebrachten Schreien auf sie einprasselten. Sie knallte unsanft gegen die Wand im Flur und verlor das Bewusstsein –
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