Grippe
nicht mein richtiger«, gab er zu, wiewohl er sich nach wie vor möglichst bedeckt halten wollte.
Der Große nahm es gelassen: »Dein gutes Recht.«
Er schien solche Mätzchen gewohnt zu sein, dieses Beschnuppern und Abstecken des eigenen Reviers mit Worten wie unter Preisboxern, die gegeneinander in den Ring stiegen.
Norman drehte sich McFall zu, sprach aber weiter mit Lark.
» Und wer ist dein Terroristenkumpel hier?«, fragte er und rümpfte die Nase.
McFall wirkte nicht nur ängstlich, sondern roch auch so. Ein warmer Lufthauch mit Schweißaroma wehte an Lark vorüber. Die Hitze der alten Blaulichtlampe machte ihm deutlich zu schaffen.
Er sah zuerst Lark an, dann den Cop.
»Ich bin kein Terrorist«, verteidigte er sich mit vollem Ernst wie ein Grundschüler vor seinem Klassenlehrer.
Norman glotzte ihn eine Sekunde lang hohl an, als wolle er ihn gleich anbrüllen, sich in polizeilichen Drohgebärden ergehen und ihm dann Handschellen anlegen. Stattdessen brach er in schallendes Gelächter aus, anders als McFall vorhin. Er kollerte aus dem Bauch heraus, wie es nur Männer mit entsprechender Statur konnten, und ein solches Lachen brauchte für gewöhnlich einen zusätzlichen Tritt in den Hintern.
McFall wusste nicht, woran er war, also warf er Lark einen erneuten Blick zu und bemühte ein weiteres Mal seine Schultermuskeln.
Endlich hörte Norman auf, rieb sich die Augen und wurde wieder ruhig. »Glaub ich dir, Freundchen«, sagte er, »aber es wäre mir auch scheißegal, falls doch. Ohne Quatsch.«
Lark nahm das absolut nicht für voll. Wie man aussah, so wurde man behandelt. Nach diesem Prinzip arbeiteten die Bullen, und deswegen bekamen Leute wie Lark auch andauernd Ärger mit ihnen.
Dann wiederum ließ er sich das Gesagte noch einmal durch den Kopf gehen unter der Prämisse, es stamme von jemand anderem. Eine solche Haltung war stimmig. Belfast hatte sich seit beinahe einem halben Jahrhundert im Kreis gedreht. Die Leute waren in einem Sumpf aus politischem Geschiebe und religiösem Eifer ersoffen. All die Bomben, Schießereien und Masken – nichts von alledem trug noch irgendein Gewicht. Ob Gott selbst, seine unbeleckte Mutter oder die verdammte Natur: Der Vorhang war gefallen, und jetzt schien es egal zu sein, was man glaubte oder mit wem gemeinsam.
Terrorismus brauchte niemand mehr. Irland war endlich vereint.
Vereint in Krankheit.
Vereint im Tod.
Vereint in Angst.
9
Karen ließ sich auf dem Sofa nieder. Die Wohnung kam ihr langsam wie ein Knast vor. Sie ächzte übertrieben gepeinigt. Pat dagegen saß ruhig am Tisch und nippte am Tee, während er ein Buch las. Er hatte den Stoßseufzer nicht bemerkt, also versuchte sie es noch einmal, jetzt lauter.
Pat schaute über seine altmodische Lesebrille, hielt seinen Schmöker aufgeschlagen fest.
» Fühlst du dich nicht wohl?«, fragte er, um sogleich die Tasse anzuheben und zu schlürfen. Das ging Karen langsam wirklich auf den Zeiger.
»Mir ist langweilig.« Sie zog einen Schmollmund. »Hier ist es zu eng für eine junge –« Pat fixierte sie mit den Augen, ohne die Tasse von den Lippen zu nehmen. »Oh, so meinte ich das nicht, ich –«
»Schon klar«, würgte er sie ab. Schließlich stellte er die Tasse zurück auf einen der Untersetzer, die Karen zuvor ausgelegt hatte. »Ich weiß, ein alter Sack wie ich wird leichter mit einer solchen Zwangshaft fertig als ein junger Hüpfer wie du.«
»Nein, damit hat es überhaupt nichts zu tun«, behauptete sie.
Pat lächelte bloß und widmete sich wieder seinem Buch. Was daran so interessant war, hätte Karen gern gewusst. Sie strengte sich an, um den Titel zu lesen. Anscheinend handelte es sich um einen Krimi, in jedem Fall aber nichts, was ein Mädchen wie sie angesprochen hätte.
Früher hatte sich ihre literarische Kost auf eine Reihe Zeitschriften aus der christlichen Buchhandlung vor Ort oder der Kirche beschränkt, dazu noch ein paar Schundheftchen, die der Kiosk führte. An das letzte richtige Buch, das sie gelesen hatte, konnte sie sich nicht mehr erinnern. Ein paar Romane und Gedichtsammlungen hatten sie in der Schule behandelt, aber aus eigenen Stücken wäre sie nie darauf gekommen. Eine Freundin hatte ihr einmal ein typisches Frauenbuch ausgeliehen, wie sie es nannte, in dem es um irgendeinen jungen Marketingmanager in Dublin ging oder so ähnlich. Ungefähr acht Kapitel hatte sie durchgestanden, ehe sie zu dem Schluss kam, dass die Handlung zu deftig für jemanden wie sie war, weshalb
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