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Grippe

Grippe

Titel: Grippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wayne Simmons.original
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den Boden, und es roch intensiv nach Alkohol. Ein einzelner Körper hing über der Theke. Der Kopf war geplatzt, der Inhalt breit an der Wand dahinter verteilt. Verschossene Munition lag inmitten des Durcheinanders auf dem Boden, und auf einem Stapel Sixpacks ruhte ein zweiter Leichnam, ebenfalls ohne Kopf.
    »Ist uns wohl wer zuvorgekommen«, bemerkte Norman.
    »Was du nicht sagst, Sherlock«, brummelte Lark leise.
    Norman ließ es ihm durchgehen, drückte ihm aber gleich die Taschenlampe auf die Lippen. Er hatte etwas gehört. Nein, es war eigentlich eher ein Gefühl als ein Geräusch. Es ging über hörbare Wahrnehmung hinaus, blieb jedoch eindringlich genug, um so ähnlich wie akustische Vorgänge wahrgenommen zu werden. Norman besaß dieses außerordentliche Gespür – einen Sinn für die Gefahr, geschult durch jahrelange Polizeiarbeit.
    Er bewegte sich langsam durch den Laden, wobei er darauf achtete, nicht ins Glas zu treten. Alle Artikel waren verdreckt, die Flaschen trüb. Niemals hätte er sie oder die Dosen, die noch zwischen den Regalen lagen, mit den Lippen berührt. Es sah aus, als hätte ein gewaltiges Monster in seinen letzten Zügen das Dach des Hauses abgerissen und seine Eingeweide ins Interieur gekotzt. Nur einmal hatte Norman etwas Ähnliches erlebt, nämlich als er als Erster am Tatort eines grausamen Anschlags eingetroffen war. Bomben galten ihm als zweifellos heimtückische Waffen, und ihre Verwendung ließ sich mit nichts entschuldigen.
    Auf halbem Weg über die Verkaufsfläche drehte sich Norman um. Lark blieb ihm dicht auf den Fersen. Er zeigte auf die Tür des Lagers, die etwas zurückversetzt hinter einem Bogengang lag. Wenn es noch irgendwo etwas zu holen gab, dann dort. Norman war sich zudem sicher, dass sie dort noch etwas Anderes finden würden.
    Die beiden pirschten sich aus verschiedenen Richtungen an, wobei sie einander wie ein eingespieltes Team Deckung gaben. Letzten Endes schienen sie ihre Differenzen vom Tisch geschafft zu haben, weil sie nur gemeinsam überleben konnten. Norman stand zuerst vor der Tür und hängte sich das Gewehr um die Schulter. Zum Stöbern bevorzugte er die Pistole, um nicht mehr zu kleckern als nötig. Der Ort sah abgefuckt genug aus.
    Lark stand neben ihm und langte nach dem Türgriff, wobei er Norman anschaute. Er wartete wohl auf sein Zeichen.
    Endlich nickte der Große und richtete die Taschenlampe auf die Tür.
    Lark riss sie weit auf, sodass Norman mit gezückter Waffe eintreten konnte, während er den Raum mit der anderen Hand ausleuchtete. Im Lager hielten sich mehrere Tote auf, die sich nach ihm umschauten, als fühlten sie sich gestört. Ihre hohlen Augen reflektierten das harsche Licht – kalt und gefühllos, bar jeglicher Emotion. Ein Schwarm Fliegen kreiste unruhig und gereizt über allem, während am Boden ein weiterer Leichnam lag. Sein Gewehr sowie ein Rucksack in der Nähe wiesen ihn als Soldaten aus. Einige Tote umringten ihn auf Knien, tauchten Hände und Köpfe in den offenen Bauch des Mannes. Eine lange Kette blutiger Würste ergoss sich auf den Boden. So zumindest wirkte das Gedärm des armen Kerls im ersten Augenblick auf Norman.
    »Oh Gott«, hörte er Lark stöhnen, dann würgen.
    Die Toten schenkten ihm keine weitere Beachtung, wie ihnen auch das Licht der Taschenlampe nichts auszumachen schien. Wie ausgehungerte Köter stürzten sie sich wieder auf ihre Mahlzeit. Normal sah ihnen eine Weile beim Schlemmen zu, konnte die Augen wie ein Voyeur nicht abwenden. Ihre angespannten Gesichter wirkten animalisch, waren einzig darauf konzentriert, den Leichnam, der in Tarnkleidung vor ihnen lag, zu verzehren. Einer der Toten trug ähnliche Kleidung, war also vermutlich ebenfalls früher Soldat gewesen. Norman bemerkte, dass sein Arm fehlte; der abgerissene Rest seines Ärmels hing seitlich am Oberkörper, als habe er ihn beschämt eingezogen.
    Für den Großen war die Szene umso schmerzlicher, da sein Bruder schon lange beim Militär diente. Sie beide waren sich sehr ähnlich, auch vom Aussehen her, weshalb ihre Mutter sie immer als »zwei wie aus einem Ei gepellt« geherzt hatte. In der Schule waren sie als Aufwiegler verschrien gewesen. Sein Bruder jedoch galt als zarter besaitet, quasi im falschen Körper geboren und ständig in sich gekehrt. Er verließ die Schule, sobald er durfte, und trat der Armee bei, auch weil ihn offenbar niemand anders wollte. Kürzlich war er nach Afghanistan abberufen worden; welche Ironie, dass er es dort

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