04 - Die Tote im Klosterbrunnen
H ISTORISCHE A NMERKUNG
Die Annála Ulaidh , Die Annalen von Ulster, eine der bedeutendsten Chroniken Irlands, wurden im Jahre 1498 von Cathal Mac Magnusa, dem Erzdiakon von Clogher, aus älteren historischen Schriften zusammengestellt und von anderen Schreibern bis ins siebzehnte Jahrhundert hinein immer wieder ergänzt. Sie dienten als eine der wichtigsten Quellen für die Annála Ríoghachta Éireann , die heute als »Annalen der Vier Meister« bekannt sind und zwischen 1632 und 1636 von zahlreichen Historikern unter Anleitung von Micheál O Cléirigh verfaßt wurden.
Für den Monat Januar des Jahres 666 A.D. findet sich dort eine Eintragung, die mit folgenden Worten beginnt: »Todesfälle in Irland. Die Schlacht von Ame zwischen den Arada und den Uí Fidgenti …«
Es handelt sich um die geschichtliche Darstellung der Ereignisse, die damals zum Zusammenstoß am Cnoc Áine, heute Knockainey, zwei Meilen westlich von Hospital in der Grafschaft Limerick führten und zu der Rolle, die Fidelma dabei spielte.
Schon in früheren Romanen verdeutlichte ich einige der Unterschiede zwischen der irischen Kirche des siebten Jahrhunderts, die heute allgemein als keltische Kirche bezeichnet wird, und Rom, beispielsweise ihre unterschiedlichen Liturgien und Philosophien. Der Gedanke des Zölibats für Geistliche war zur damaligen Zeit jedoch weder in der »keltischen« noch in der römischen Kirche verbreitet. Im Gegenteil, zu Fidelmas Zeiten kam es häufig vor, daß in den Klöstern beide Geschlechter zusammenlebten, untereinander heirateten und ihre Kinder im Dienste Christi gemeinsam aufzogen. Selbst Äbte und Bischöfe durften damals heiraten und taten dies auch. Die Kenntnis dieser Tatsache ist eine wesentliche Voraussetzung, um Verständnis für die Welt zu entwickeln, in der Fidelma lebte.
In der Annahme, daß das Irland des siebten Jahrhunderts den meisten LeserInnen ziemlich unbekannt ist, habe ich am Schluß des Buches eine Karte des Königreiches Muman beigefügt. Ich habe es vorgezogen, den historischen Namen beizubehalten, anstatt die unzeitgemäße Bezeichnung zu verwenden, die unter Hinzufügung der altnordischen Endung stadr im neunten Jahrhundert gebildet wurde und aus der sich schließlich der moderne Name Munster entwickelte. Da sicher auch viele irische Vornamen aus jener Zeit den Leserinnen nicht geläufig sind, habe ich dem Roman eine – hoffentlich hilfreiche – Liste der Hauptpersonen voranstellt.
Schließlich mögen sich einige LeserInnen erinnern, daß Fidelma ihre Tätigkeit im irischen Gesellschaftssystem des frühen Mittelalters ausübt und dabei das Gesetz vertritt, das als Fénechus-Gesetz oder allgemeiner als Gesetz der Brehons (von breaitheamh = Richter) bekannt ist. Fidelma ist eine ausgebildete Advokatin der Gerichtsbarkeit, eine Stellung, die für Frauen im damaligen Irland ganz und gar nicht ungewöhnlich war.
Hauptpersonen
Schwester Fidelma von Kildare , eine dálaigh oder Advokatin der Gerichtsbarkeit im Irland des siebten Jahrhunderts
Bruder Eadulf , ein sächsischer Mönch aus Seaxmund’s Ham im Land des Südvolkes
Ross , Kapitän einer Küstenbark bzw. eines Segelschiffes
Odar , sein Steuermann
In der Abtei
Der Lachs aus den Drei Quellen
Äbtissin Draigen
Schwester Síomha , die rechtaire oder Verwalterin der Abtei
Schwester Brónach , die doirseór oder Pförtnerin der Abtei
Schwester Lerben , ein Mitglied der Gemeinschaft
Schwester Berrach , ein behindertes Mitglied der Gemeinschaft
Schwester Comnat , die Bibliothekarin
Schwester Almu , die Gehilfin der Bibliothekarin
In der Festung Dún Boí
Adnár , bó-aire , Häuptling des Bezirks
Bruder Febal, anam-chara, Seelenfreund Adnárs
Olcán , Sohn von Gulban, dem Falkenauge, dem Häuptling der Beara
Torcán , Sohn des Eoganán, des Prinzen der Uí Fidgenti, Adnárs Gast
Beccan , Oberster Brehon oder Richter vom Stamm der Coreo Loígde
Bruder Cillín von Mullach
Máil , Krieger vom Stamm der Loígde
Barr , ein Bauer
K APITEL 1
Der Gong ertönte zwölf Mal, und seine Schläge rissen Schwester Brónach aus ihren Gedanken. Dann hörte sie einen weiteren Gongschlag, hell und durchdringend. Seufzend erhob sie sich, als sie sich der späten Stunde bewußt wurde, aus ihrer knieenden Haltung vor der Statue des Leidenden Christus. Hastig und ohne nachzudenken beugte sie die Knie, drehte sich um und verließ die duirthech , die aus Holz gebaute Kapelle der Abtei, auch Eichenhaus
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