Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
Vom Netzwerk:
gewesen war, beauftragte
einen Kommandeur des Bundesgrenzschutzes, eine Anti-Terror-Einheit aufzubauen.
Dabei sollte sich Ulrich K. Wegener an dem Vorbild bereits existierender Spezialeinheiten
wie dem britischen ›Special Air Service‹, den amerikanischen ›Special Forces‹
oder den israelischen ›Sayeret‹-Kommandos orientieren.
    Dass Gromek fünf Jahre später im nordostafrikanischen Mogadischu
als Angehöriger der bis dahin nahezu unbekannten Bundesgrenzschutzgruppe# GSG-9 bei der Feuertaufe der Einheit dabei sein sollte, stand damals noch in den
Sternen. Bei der Erstürmung der Lufthansa -Boeing ›Landshut‹ erschoss er
ein Mitglied des palästinensischen Terror-Kommandos, das die Maschine mit
deutschen Touristen entführt hatte.
    Der erste Mensch, den er getötet hatte, erfuhr Gromek bald darauf
von seinem Einsatzleiter, war genauso alt gewesen wie er selbst.

3 .  Lisa
     
    In einem unaufgeräumten Kinderzimmer, welches wegen allerlei herumliegenden
Spielzeugs keinesfalls unbedachten Schrittes betreten werden durfte, saßen drei
Jungen und ein Mädchen vor einem Bildschirm und spielten ein Computerspiel.
Die Jungen waren zwischen acht und zwölf Jahre alt. Das Mädchen, noch ein Jahr
jünger, war das Nesthäkchen. Auf dem Bildschirm fand ein regelrechtes Gemetzel
statt. Als das aufregende Spiel eben richtig im Gange war, die
Computerspielfiguren der Reihe nach tot umfielen und alles knallte und
explodierte, wurde das Spiel zur maßlosen Enttäuschung der Kinder abrupt
unterbrochen. Auf dem Bildschirm erschien der Hinweis auf eine Nachricht für
Lisa-Marie Delius, die nur nach der Eingabe eines Passwortes gelesen werden
konnte. Der Absender war die Deutsche BodenGrund Versicherung AG .
    Für Lisas Kinder war das, im Gegensatz zu den beiden Freunden,
nichts Neues. Gemeinsam riefen die zopftragende Julia und ihr Bruder Daniel
nach ihrer Mutter. Anschließend erklärte der für sein Alter hochgewachsene
Junge seinen Gästen zerknirscht die missliche Lage:
    »Tut mir leid, Jungs. Aber als unser Vater in Urlaub gefahren ist,
hat er auch Mamis Computer eingepackt. Seitdem passiert das andauernd.«
    »Und unser letztes Taschengeld hat er auch nicht gezahlt!« zwitscherte
Julia empört dazwischen.
    Daniel fuhr seiner jüngeren Schwester unangenehm berührt über den
Mund. Im Gegensatz zu Julia hatte er bereits begriffen, dass man über Geld, und
vor allem über dessen Nichtvorhandensein, nicht sprach. Zudem befiel ihn
blitzartig die grausame Erkenntnis, dass dieser unbedachte Satz seiner kleinen
Schwester nicht nur die Preisgabe einer Tatsache bedeutete, zu deren
Geheimhaltung er sich einige äußerst kreative Ausreden hatte einfallen lassen.
Nein, zu allem Unglück hatte sie damit wohl auch noch die bisher
unausgesprochene Frage der beiden Freunde beantwortet, warum er nicht
gleichfalls stolzer Träger der momentanen In-Turnschuhe mit hypermoderner
Fersenergonomie war - worunter Daniel seit einigen Wochen furchtbar litt. Ohne
es auch nur zu ahnen, hatte die kleine Julia den wundesten Punkt im bisherigen Leben
ihres Bruders bloßgelegt.
    »Sei still, du Plappermaul!«
    »Ich bin kein Plappermaul!«
    »Doch, Du bist ein Plappermaul!«
    »Bin ich nicht!«
    »Bist Du doch!«
    Als Julia ihre Mutter die Treppe heraufkommen hörte, rannte sie
mit einem letzten »Bin ich nicht!« aus dem Zimmer, um sie zu fragen: »Mami, bin
ich ein Plappermaul?«
    »Nein, mein Engel. Du bist kein Plappermaul.«
    Mit ihrer triumphierenden Tochter an der Hand betrat Lisa das
Kinderzimmer. Sie strich sich das schulterlange, dunkelblonde Haar aus der Stirn,
während sie mit traumwandlerischer Sicherheit die am Boden lauernden Autos und
Lego-Steine umging. Dasselbe passierte mit zwei oder drei Exemplaren der
besonders heimtückischen Spezies garantiert Nylonstrümpfe durchtrennender
blecherner Eisenbahnwaggons. Sie lächelte den Freunden ihres Sohnes
aufmunternd zu: »Es ist schon ziemlich spät. Wird es für euch nicht langsam
Zeit?«
    Artig zogen die Buben ihre klobigen Turnschuhe mit den wulstigen
Profilen an, banden sie mit einer Art Geheimtechnik zu, die ein unwissender
Erwachsener als umständlich bezeichnet hätte, und verließen das Zimmer. Daniel
begleitete sie - in schnöden Hausschlappen. Insgeheim schwor er sich, dass er
spätestens in vier Wochen gleichziehen und dieselben Turnschuhe haben würde
wie seine Freunde - koste es, was es wolle! Als er schon aus dem Zimmer war,
streckte er noch einmal seinen Kopf zur Tür

Weitere Kostenlose Bücher