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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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zurück. Versprochen!«
    Freiherr von Hohenfels-Selms Rivale um die Gunst des Ministers im
allgemeinen und um den Fensterplatz im Flugzeug sowie den Vorzug, morgens dem
Minister den Pressespiegel präsentieren zu dürfen, im besonderen, machte
keinen begeisterten Eindruck. Allerdings vermochte er hinter der Äußerung Freiherr
von Hohenfels-Selms keine feindliche Attacke zu erkennen. Missmutig ergriff er
die Aktentasche mit den neuesten Diskussionsvorschlägen der Berliner
Regierungsparteien, verdrehte die Augen und trottete ansonsten kommentarlos weiter.
    Auf der Suche nach einem Telefon, von dem aus er seinen Feierabend
organisieren konnte, begab sich Referent Stephan Freiherr von Hohenfels-Selm in
eines der oberen Stockwerke des Komplexes. Auf gar keinen Fall wollte er den
Abend allein vor dem Hotelfernseher oder an der Bar verbringen müssen. Da er
sich in dem Gebäude gut auskannte, irritierte es ihn schon lange nicht mehr, dass
jede Etage in dem Hauptsitz der Europäischen Union gleich aussah. Seit mehr als
zwei Jahren koordinierte er die Termine des Innenministers mit der Protokollabteilung
und einzelnen Fachreferaten. Und immer, wenn er bei seinen zahlreichen
Diensttelefonaten mit Brüssel am anderen Ende der Leitung einen Akzent vernahm,
der ihm verriet, dass es sich um keine Landsmännin handeln konnte, horchte Freiherr
von Hohenfels-Selm auf. Wenn es ihm zudem mit bereitwilliger Hilfe dieser
besonderen Stimme gelang, das Gespräch weg von Terminangleichungen und
Sitzordnungen zu bringen, hatte Stephan Freiherr von Hohenfels-Selm es sich
zur Angewohnheit gemacht, seine Gesprächspartnerin einmal persönlich
kennenzulernen. Von Europäer zu Europäerin, sozusagen. Völkerverständigung in
ihrer urmenschlichen Art. Deshalb brauchte er zwei Adressbücher: eines für den
Dienstgebrauch natürlich, und eines für den Feierabend, die er allerdings
ständig miteinander verwechselte, weil sie unpraktischerweise identisch
aussahen.
    Referent Freiherr von Hohenfels-Selm war der einzige im Fahrstuhl
und verließ den Lift in der siebten Etage. Ein menschenleerer Gang tat sich vor
ihm auf. Bei Konferenzen von hochrangigen europäischen Ministern war das nicht
ungewöhnlich. Trafen sich die Regierungschefs, kam der europäische
Beamtenapparat regelmäßig zum Erliegen.
    Freiherr von Hohenfels-Selm griff in die Innentasche seines
wassermelonenroten Jacketts und derangierte dabei, ohne es zu bemerken, seine
gelb gestreifte Krawatte. Zum Leidwesen seines Bürochefs zu Hause in Deutschland
war er durchaus nicht bereit, auf seine farbenfrohe Kleiderwahl zu verzichten
und sich damit in die allgemeine Einfalt und Fantasielosigkeit der
Kleiderordnung der Politikerkaste einzuordnen.
    Zufällig förderte Freiherr von Hohenfels-Selm diesmal auf Anhieb
das richtige Adressbüchlein aus der Innentasche seines Jacketts hervor. Im
Gehen blätterte er darin und fand weit hinten das, wonach er suchte. Er
stoppte, verglich die Zimmernummer neben der Tür mit der in seinem Buch und
steckte es wieder ein. Vorsichtshalber klopfte er an. Mit einem unbewusst
vollführten Griff brachte er seine Krawatte wieder in die richtige Position und
trat ein.
    Das Büro war leer.
    Stephan Freiherr von Hohenfels-Selm schluckte die belgischen
Begrüßungsworte, die nur für alle Fälle weit vorne auf seinen Lippen gelegen
hatten, wieder hinunter, griff sich das nächstbeste Telefon und begann zu
wählen.
     
    Gutgelaunt drang seine Stimme aus dem Büro auf den Flur, wo sie
allmählich verhallte. Er sprach fließend und nahezu akzentfrei Französisch.
Der Referent schien mit seiner Gesprächspartnerin noch nicht recht vertraut zu
sein. Tatsächlich war er ihr erst einmal begegnet und wollte nun um jeden Preis
einen guten Eindruck machen.
    »Aber natürlich, Simone. Machen Sie mir die Freude, mich heute
Abend zum Essen zu begleiten? Ich würde Sie gern einladen. Mögen Sie
Chinesisch? Ich kenne da ein Restaurant in der Rue de l'Etuve ...«
    Wolfgang Bubeck schien aus dem Nichts gekommen zu sein. Plötzlich
stand er in dem menschenleeren Stockwerk, nur wenige Meter von dem Büro
entfernt, in dem Stephan Freiherr von Hohenfels-Selm telefonierte. Er war von
kräftiger, untersetzter Statur und trug ein maßgeschneidertes Sakko, das vor
seinem Bauch kaum wahrnehmbar spannte, was dem aufmerksamen Auge verriet, dass sich
darunter eine Waffe verbarg. Durch das für ihn unverständliche Gespräch ließ
er sich nicht stören. Wolfgang Bubeck zog eine silberglänzende

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