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Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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werden.
    (Ich habe – das nur ganz nebenbei – vom Schicksal des ein oder anderen Gevatters gehört, den die Ruhelosigkeit oder ein zänkisches Eheweib zu Hause sein Säckel hat packen und in die weite Welt ziehen lassen. Die Hälfte von ihnen endete als Futter für irgendeinen der unsäglichen Schrecken, die jenseits der Grenzen unseres Landes weilen. Die andere schlug irgendwann eine kriminelle Laufbahn ein, um gemeinsam mit weiteren Schurken und Glücksrittern antike Tempel, Grabstätten und anderer Leute Eigenheime nach Schätzen zu durchsuchen. Ein schändliches Schicksal.)
    Unser jüngster Fall bot Holmser reichlich Gelegenheit, seine Begabungen zum Einsatz zu bringen. Ich erinnere mich noch daran, als sei es gestern gewesen, auch wenn es sich in Wahrheit bereits vor drei Wochen zutrug, denn er begann buchstäblich mit einem Knalleffekt. Wir befanden uns beide in Holmsers Studierzimmer, und er arbeitete gerade an einem Experiment …
    »Blechschale.«
    »Hier, Holmser.«
    »Zange.«
    »Bitte schön, Holmser.«
    »Danke. Au, verflixt noch eins, das Mistding ist noch ganz heiß.«
    »Soll ich es nicht besser machen?«
    »Nein, Wasndas, hier muss ein Fachmann zu Werke gehen. Aber Mörser und Stößel könnt Ihr mir reichen.«
    »Natürlich, Holmser.«
    »So … Aha … Das wird doch was. Nun ein Löffel hiervon und noch zwei, drei Tropfen von der Branntweinessenz darüberschütten … Und …«
    Auf Holmsers Studiertisch gab es eine hübsche Verpuffung. Zufrieden drehte sich mein Freund zu mir um und hielt dabei das hart gekochte und gepellte Ei eines Rotkopfhuhns zwischen Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand. »Wie ich es mir gedacht habe. Die Eier, die dieser Händler Frau Hattson angedreht hat, waren alt.«
    »Wie genau habt Ihr das jetzt herausgefunden, Holmser?«
    »Ganz einfach, mein lieber Wasndas! Wie jedes Kind bereits in frühen Jahren erlernt, verlieren die Eier von Rotkopfhühnern mit der Zeit ihre schöne blassrosa Farbe und werden einfach nur weiß. Ein wahres Unding für einen Kenner guten Essens. Ein Händler mit einer Ladung weißer Eier wird also schlicht darauf sitzenbleiben, denn niemand, der noch halbwegs bei Verstand ist, kauft etwas, das offenkundig schon eine halbe Ewigkeit gelegen hat. Um einen Anschein von Frische vorzutäuschen, hat unser guter Mann die Eier also über Nacht in ein Bad aus Wasser und Rosensteinpulver gelegt. Am nächsten Morgen sahen die Eier natürlich fast wie neu aus. Nun hat Rosensteinpulver jedoch zwei Eigenarten. Erstens sammelt es sich in kleinsten Unebenheiten und bildet daher gewisse ausgeprägte Muster auf der Eierschale. Und zweitens reagiert es, wie wir eben sehen konnten, durchaus heftig mit dem Hauptbestandteil von Branntweinessenz. Abgesehen davon …« Er biss herzhaft in das Ei, verzog sofort das Gesicht und spuckte es in die bereitgestellte Blechschale. »… schmeckt das Ding hier ganz fürchterlich.«
    (Das war übrigens nicht der Knalleffekt. Der kommt jetzt.)
    Ich war noch damit beschäftigt, Holmsers außerordentliche Kombinationsgabe zu bewundern, als plötzlich die Tür zur Studierstube aufgerissen wurde. »Herr Holmser, Herr Holmser!«
    Mit diesen Worten stürzte der Neuankömmling in den Raum herein. Nach zwei Schritten stolperte er über seine eigenen haarigen Füße, rief etwas, das wie »Eieiei!« klang, taumelte nach vorne und rempelte gegen den Tisch, auf dem noch immer die Flasche mit Branntweinessenz stand. Die fiel, zusammen mit dem Mörser voll zerstoßener Rothuhneierschale, zu Boden, wobei Erstere zerbrach und Letzterer seinen Inhalt verstreute. Eins führte zum anderen (oder mischte sich vielmehr mit dem anderen), es gab einen kapitalen Schlag, und im nächsten Augenblick stand der halbe Raum unter weißem, stark riechendem Qualm.
    »Mordbube!« – oder etwas sehr Ähnliches – kam mir über die Lippen, während ich mit der mir eigenen Kampfbereitschaft antwortete, die ich mir im Goblinkrieg von 1133 angeeignet und seitdem nie mehr abgelegt habe. Ich warf mich auf den Eindringling und riss ihn zu Boden. Meine Hände lagen bereits an seiner Gurgel, um ihn für das hinterhältige Attentat auf Holmser zur Verantwortung zu ziehen, als mein Freund, den der Schlag rücklings in seinen Ohrensessel geworfen hatte, mich aufhielt.
    »Haltet ein, Wasndas!«, rief Holmser hustend. »Unser ungeschickter Besucher ist mitnichten ein Attentäter. Vielmehr handelt es sich um Buko, den neuen Ponyburschen vom alten Grünbein.«
    Ich rollte

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