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Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)
Autoren: Bernd Frenz
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war. Es gab Zeiten, da haben mich die Vorfahren deines Volkes und sogar die ersten Menschen als Göttin verehrt. Es waren einfachere Tage, damals, als die Mächte der Fei keinen Körper besaßen und die körperlichen Wesen ihren Gefühlen folgten.
    Dann aber kamen die Menschen von Bitan mit ihren eigenen Göttern, und die Elfen ersetzten ihre Gefühle durch Regeln und Prinzipien. Sie alle versuchten, zu planen und zu ordnen, und was wird dann aus der Liebe? Nicht mehr als ein lästiges Hindernis, das man beiseiteräumte.
    Oh ja, ich fand Zuflucht in Daugazburg, wie alle anderen Geschöpfe, die sich nicht in die neue Ordnung fügen wollten. Aber mein See und mein Land starben, und mein Geist verdorrte. Ich musste eine körperliche Gestalt annehmen, um fortziehen zu können. Und die Liebe genießt in meiner neuen Heimat so wenig Achtung wie hierzulande. Für die Menschen ist sie eine Bedrohung, die zur Sünde verführt, den Finstervölkern gilt sie als schwach und nutzlos.
    Du meinst also, Wichtel, ich gehöre zu Leuchmadans Hof? Nicht, solange ich ihn nicht nach meinem Bild, nach meiner Bestimmung neu gestalten kann!
    Und das werde ich nun tun, Wichtel, denn jetzt gehört Daugazburg mir. Ich werde beweisen, dass die Liebe stark ist, dass Liebe herrschen kann. Ich werde den Menschen, die mich vertrieben haben, zeigen, dass Liebe Ordnung schaffen kann und dass Liebe Macht bedeutet. Liebe kann auch Schmerz bereiten, und das Feuer in den Herzen kann eine Welt in Brand setzen. Die Menschen haben uns vertrieben, dein Volk und mich, sie haben die Art und Weise zerstört, wie wir gelebt haben. Jetzt werde ich unsere Rechte einfordern, ich werde die Zeit zurückdrehen, und wenn die Menschen meine Liebe nicht haben wollen, so bringe ich sie ihnen mit Gewalt.«
    »Und dazu«, fragte ich vorsichtig, »brauchst du das Kästchen aus Leuchmadans Hort?«
    »Nicht, um in Daugazburg über die Finstervölker zu herrschen. Dabei, mein kleiner Freund, hast du mir schon genug geholfen. Mit dem Kästchen aber könnte ich Menschen und Goblins gleichermaßen meinen Willen aufzwingen. Die Länder würden eins werden, die Völker von Licht und Finsternis zueinander finden. Alles wird sein, wie es einst war – überall!
    In den richtigen Händen, Wichtel, kann Leuchmadans Kästchen Wunder wirken. Und wenn du es mir bringst, soll dein Volk das erste unter all meinen Völkern sein. Denn die Liebe, mein Freund, kennt keine Grenzen, in Großmut wie in Zorn, und ich teile die Fülle, die die Macht mir schenkt, gerne mit jenen, die mir nahestehen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Weißt du, Fei Geliuna, all diese Ideen mit Ländern und Völkern sind zu groß für mich. Ich bin ein einfacher Halbling, ein Dieb und ein Abenteurer.
    Doch mit Verlaub, Fei Geliuna, was du vorhast, das klingt für mich genau nach dem Trachten der neuen Menschen, die auf Macht aus sind und Pläne schmieden, und die die Liebe dabei missbrauchen und gering schätzen. Es klingt für mich nicht nach der Wiederkehr der alten Tage, als alle Geschöpfe, wie du sagtest, frei ihren Gefühlen und ihrer Bestimmung folgten.«
    Lange blieb es still. Der Nebelstreif hing reglos vor mir in der Luft, das Antlitz darin erstarrte und verschwamm. Alle Lebendigkeit war von der Erscheinung gewichen. War ich zu weit gegangen mit meinen kecken Worten?
    Dann aber wallte der Nebel auf, die Züge der Fei wurden feiner, und das Lächeln, das sich darin abzeichnete, hatte etwas Verlorenes an sich. »Vielleicht hast du Recht, mein kleiner Wicht. Womöglich ist der Wandel zu weit gegangen und hat mich selbst schon erfasst. Womöglich kann niemand die Tage von einst zurückbringen. Dennoch folge ich lieber meinem Traum, als mich jenen zu unterwerfen, die mir ihren Willen aufzwingen wollen.
    Ich kann nicht vergessen, Wichtel, und wenn am Ende nicht mehr dabei herauskommt als Rache für meine Verbannung, für meinen verlorenen See und das, was die Menschen daraus gemacht haben – wer will es mir verdenken?
    Und wäre mein Traum nicht auch besser für dich und dein Volk? In einer Welt, wie ich sie schaffen will, beherrscht von der Liebe statt von Kraft und Gewalt, da können auch die, die man jetzt Halblinge nennt, zu den Großen zählen. Denn was zählt, wird die Größe des Herzens sein, nicht jene des Leibes.
    Ich biete dir also weiterhin ein Bündnis an, Volpar. Als Dieb und als Abenteurer hast du einen Platz an meiner Seite. Suche für mich nach Leuchmadans Kästchen, bei den Elfen und bei den Zwergen
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