Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
zuzuwenden. Umso erstaunlicher ist der Sieg des Hellenenbundes in der Seeschlacht. Die Stilisierung der Schlacht in der Geschichtsschreibung und Literatur Athens ließ ihr eine Sonderrolle zukommen und verhalf der griechischen Polis zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandlungen – und letztendlich sogar dazu, die Demokratie dauerhaft zu etablieren.
Schlechte Nachrichten
o, um Himmels willen, liegt denn nur dieses Athen?» Ein Bote brachte die schlechte Nachricht: die Flotte des Sohnes geschlagen, das Heer gedemütigt, der Herrscher auf der Flucht. Atossa, die Mutter des Perserkönigs Xerxes (486–465 v. Chr.), ist fassungslos, will mehr wissen von dem, was geschah, vor allem, wie und wo. Ein Chor weiß zumindest geographisch Antwort: «Fern, fern im Westen. Dort wo Helios, unser aller Herr, die Sonne, versinkt.» Doch sie fragt weiter: «Und mein Sohn, ausgerechnet, greift nach so einer Stadt?» Der Chor entgegnet: «So ist es. Ganz Griechenland wäre unser, hätten wir diese besetzt.» Ja, tatsächlich; ganz Griechenland wäre besetzt worden, hätte es nicht am Rande des Imperiums der Perser, eines der frühen, wirklich den Namen verdienenden Großreiche der Weltgeschichte, einige Bürgerkommunen gegeben, allen voran Athen und Sparta, die sich einfach nicht den Geboten des Herrschers unterwerfen wollten. Und das, obwohl doch schon so ziemlich alle Völker der bekannten Welt, darunter viele Städte der Griechen selbst, die Gabe von Erde und Wasser als Anerkennung persischer Oberherrschaft vollzogen hatten. Dass ausgerechnet die besten Seefahrer dieses Reiches im Dienste des Königs der Könige trotz ihrer mächtigen Flotte von Leuten geschlagen wurden, die gerade erst begonnen hatten, die See für sich zu entdecken, glich einem Wunder. Niemand hatte auch nur annähernd dieses Ergebnis erwartet! Auch Aischylos (525–456 v. Chr.), der Dramatiker, der selbst bei Salamis mitgekämpft hatte und aus dessen Tragödie
Die Perser
die zitierten Worte stammen, dürfte Zweifel an dem guten Ausgang der Sache gehabthaben, so ungleich schienen die Kontrahenten zu sein. Doch es kam anders. Und dass das alles auch noch vor den Augen des persischen Kriegsherrn selbst geschah, der von einem Thron an Land aus eigentlich zusehen wollte, wie die aufmüpfigen Athener endlich gezüchtigt würden, setzte dem Ganzen die Krone auf. «Salamis! Nichts so sehr hasst das Ohr, wie
den
Namen zu hören. Oh, wie mir schwarz wird vor Augen, denke ich an Athen.»[ 1 ]
Die Seeschlacht von Salamis war der Höhenpunkt zur See eines sorgfältig geplanten Kriegszuges des Perserimperiums gegen Hellas. Diese vielleicht berühmteste Seeschlacht der Antike fand Ende September 480 v. Chr. – das exakte Tagesdatum ist umstritten – am östlichen Ufer einer großen Insel in der Nähe von Athen statt. Mit Athen, das man endlich zu unterwerfen gedachte, glaubten die Perser ohnehin noch ältere Rechnungen offen zu haben: Hatten nicht die Athener zu Zeiten des Königs Dareios I. (521–486 v. Chr.) die ionischen Griechen an der Westküste Kleinasiens, die dem Perserreich unterworfen waren, zum Aufstand ermuntert? Hatten sie nicht damals sogar die Provinzhauptstadt Sardes niedergebrannt? Und als man sie daraufhin bestrafen wollte und eine Militärexpedition nach Attika sandte, hatten nicht attische Hopliten, die schwer bewaffneten Bürger Athens, bei Marathon das Großreich erneut gedemütigt? So viel Frechheit durfte nicht ungestraft bleiben. Doch, letztendlich blieb sie es.
Warum aber konnte das Unerwartete geschehen? Aischylos, mit dem Sinn für Hintergründe, ließ Atossa weiter fragen nach den Verhältnissen in Athen: «Und wer kommandiert sie? Wer gibt dem Heer die Befehle?» Die Antwort des Chores: «Niemandem untertan sind sie, weder als Sklaven noch als Vasallen.» Atossa: «Wie wollen sie standhalten dann, dem Gegner, der in ihr Land drängt?» Chor: «So wie damals, als sie zermalmten Dareios’ großes und stolzes Heer.»[ 2 ] Weiter hätte sie noch fragen können: Was ist denn dieses Athen? Wie ist es beschaffen, dass es wagt, uns zu trotzen? Lag es an den gesellschaftlichen Verhältnissen? Athen hatte nämlich in seinem Gemeinwesen politische Strukturen entwickelt, die so völlig anders als die bisher bekannten waren.
Die athenische Verfassung, die durch Solon 594 v. Chr. eingerichtet und nach dem Zwischenspiel einer Tyrannis der Peisistratiden durch Kleisthenes 508 v. Chr. grundgelegt wurde, lief über viele
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