Große Tiere
was sich für Charles Chelsea als Segen erwiesen hatte, denn so hatte er Zeit gewonnen, nach einem besonders auffälligen Automobil als Jubiläumsgeschenk zu suchen. Der Corvair-»Oldtimer« war zugunsten eines jettschwarzen 300-Z fallengelassen worden, den man zu einem absoluten Sonderpreis aus der Hinterlassenschaft eines ermordeten Drogenhändlers hatte herauskaufen können. Chelseas Laune war außerdem durch die Information aufgebessert worden, daß Willard Scott, der Wetteronkel von NBC, vage zugesagt hatte, am Morgen des Sommerfestes direkt aus dem Wunderland zu moderieren, wenn das Risiko-Management sich mit dem Sender einigen konnte.
Insgesamt hatte der Pressechef dem Sommerfest zuversichtlich entgegengeblickt, bis irgendein Wurm vom Herald ihn angerufen hatte, um ihm die Laune mit der Frage nach der Presseerklärung zu verderben.
»Welche Presseerklärung?« hatte Chelsea gefragt.
»Die über die Hepatitis«, sagte der Typ von der Zeitung. »Die Gelbsuchtepidemie unter Onkel Elys Elfen.«
Mit seiner ruhigsten, kontrolliertesten Stimme hatte Chelsea den Zeitungsheini gebeten, ihm doch ein Exemplar rüberzufaxen. Der Anblick der Erklärung, wie sie Zeile für Zeile aus dem Apparat kroch, hatte ihm eisige Schauer über die Wirbelsäule gejagt.
Während Jake Harp sich auf den Abschlag vorbereitete, zeigte Chelsea Francis X. Kingsbury die Presseerklärung und sagte: »Sie ist von uns.«
»Was zum Teufel meinen Sie – ich begreife nicht. Von uns?«
»Ich meine, sie ist echt. Das Papier, der Briefkopf, alles ist authentisch.«
Kingsbury betrachtete stirnrunzelnd den Briefkopf. »Herrgott im Himmel, demnach gibt es bei uns einen Maulwurf. Wollen Sie das damit sagen?«
»Nicht unbedingt«, sagte Chelsea.
Jake Harp hookte seinen Abschlag in einen Fairway-Bunker. Er sagte: »Wißt ihr nicht, wann ihr die Klappe halten sollt?«
Diesmal schenkte Charles Chelsea sich eine Entschuldigung. Es juckte ihn, Jake Harp daran zu erinnern, daß Totenstille ihm während des Masters von ’78 kein bißchen geholfen hatte, als er am dritten Loch in Augusta vier Putts gebraucht hatte und Nicklaus, Floyd und alle anderen mit Sack und Pack vorbeigezogen waren.
Kingsbury sagte: »Wahrscheinlich ist es so ein Schwein von Disney. Ein verkappter Spion, verdammt, ich hätte es wissen müssen. Jemand, den sie mir geschickt haben, damit ich für den restlichen Sommer zumachen kann.«
»Es ist keiner vom Personal«, sagte Chelsea. »Der Text ist nicht auf einer unserer Maschinen geschrieben worden.«
»Wer war es dann? Ich meine, warum, verflucht noch mal?«
Jake Harp stellte sich vor, wie gut es täte, mit einem Eisen Zwei dem Mann den Kopf einzuschlagen. Statt dessen sagte er: »Sie sind dran, Frank.«
Charles Chelsea trat zurück, während Kingsbury einen Probeschwung machte. Es war kein besonders schöner Anblick. Aus sicherer Entfernung vom Fahrweg aus sagte Chelsea: »Ich glaube, es ist Joe Winder. Der Kerl, den wir vergangene Woche rausgeworfen haben. Mit dem wir etwas Ärger hatten.«
»Was macht Sie so sicher – Moment mal, mein Gott, hat er nicht mal für die Ratte gearbeitet?«
»Ja, nur kurz. Abgesehen davon fehlt Briefpapier aus der Presseabteilung. Ich dachte, das sollten Sie wissen.«
»Wieviel?«
»Zwei ganze Kartons«, antwortete Chelsea. Genug, um etwa drei Jahre lang jeden Tag eine falsche Presseerklärung herauszugeben. Oder hundert Stück täglich bis zum Sommerfest.
Kingsbury jagte seinen Abschlag links auf den Fairway und grunzte zufrieden. Er ließ seinen Hintern in den Golfwagen plumpsen und sagte zu Chelsea: »Lassen Sie mich das Ding noch mal sehen.«
Chelsea reichte ihm das Papier und kletterte auf den Rücksitz des Golfwagens, wo er sich zwischen die beiden Golftaschen zwängte. Er überlegte, ob das der Platz für den Secret Service war, wenn der Präsident Golf spielte.
Indem er über Kingsburys Schulter sah, sagte Chelsea: »Das ist eindeutig Winders Stil. Ich erkenne seine trockene Art sofort.«
Die Presseerklärung lautete:
Ärztliche Organe im Wunderland der Abenteuer gaben heute bekannt, daß der epidemieartige Ausbruch von Virushepatitis, welcher in dieser Woche den bekannten Vergnügungspark heimgesucht hat, »praktisch unter Kontrolle« sei.
Besucher des Wunderlands setzen sich laut Aussagen von Spezialisten, die aus dem nationalen Zentrum für Seuchenkontrolle in Atlanta eingeflogen wurden, nicht mehr der Gefahr einer direkten Infektion aus. Die Opfer waren ausnahmslos
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