Große Tiere

Wassernebel aus seinem Nasenloch. Ein paar Tröpfchen benetzten den Lauf von Pedro Luz’ Pistole, und er wischte die Waffe nervös an seiner Hose ab. Die Schaltkreise seines Gehirns waren total überladen; neue Informationen zu verarbeiten, war mühsam geworden – die Drogen, der Finger im Glas, der einäugige Bursche mit den Benzinkanistern, das Feuerwerk, die schreckliche Musik. Es wurde Zeit, diese Typen aus dem Weg zu räumen und den Fitneßraum aufzusuchen.
    »Wer zuerst?« fragte er. »Wer will als erster die Reise antreten?«
    Joe Winder sah in Skinks Verhalten nichts, was auf schnelle Gegenwehr hindeutete, daher wurde er aktiv und rammte seinen Ellbogen in das weiche Dreieck unterhalb von Pedro Luz’ Brustbein. Winder verfolgte verblüfft, wie der Bodybuilder zu Boden ging, und stürzte sich wie ein Irrer auf ihn, um sein Werk zu beenden. Winders Boxfähigkeiten waren durch die bohrenden Schmerzen in seiner Brust stark eingeschränkt, und obgleich Pedro Luz würgte und spuckte und schluckte, um Luft in seine Lungen zu bekommen, war es für ihn eine relativ einfache Übung, seine Arme um die hundertfünfundsechzig Pfund Joe Winder zu schlingen und ihm jedes Quentchen Energie aus dem Körper zu pressen. Das letzte, was Winder hörte, ehe er das Bewußtsein verlor, war ein Aufklatschen im Becken unter ihm.
    Er hoffte sehnsüchtig, daß es die Pistole war.
     
    Meeresbiologen sind sich hinsichtlich der relativen Intelligenz des im Atlantik lebenden flaschennasigen Tümmlers nicht einig, jedoch geht man allgemein davon aus, daß dieses elegante Säugetier außerordentlich klug ist; daß es mittels raffinierter Unterwasserlaute kommunizieren kann; daß es manchmal zu Emotionen fähig ist, darunter auch Trauer und Freude. Da das Delphingehirn proportional größer und weiter entwickelt ist als das des Menschen, sind einige Fachleute der Meinung, daß diese Tiere sich auf einer höheren Verstandesebene bewegen, die wir einfach nicht begreifen können.
    Eine etwas kritischere Auffassung (die auch von Joe Winder geteilt wurde) lautet, daß Delphine bei weitem nicht so klug sind, wie von Touristen gerne verbreitet wird. Ließen sie sich sonst so einfach einfangen, unterwerfen, abrichten und einem Publikum vorführen? Winder kam es so vor, als wäre das Springen durch Hula-Hoop-Reifen als Gegenleistung für eine Handvoll Sardinen nicht gerade ein Beweis für einen ausgeprägten Intellekt. Hätte er Flossen und ein biegsameres Skelett, so würde jeder Durchschnittspudel die gleiche Leistung bringen.
    Es ist jedoch unbestritten, daß Delphine in Gefangenschaft sehr unterschiedliche und komplizierte Persönlichkeiten entwickeln. Einige sind gesellig und leicht zu zähmen, während andere zurückhaltend und streitsüchtig sind; einige sind glücklich, applaudierenden Touristen ihre Kunststücke vorzuführen, während andere Magengeschwüre bekommen. Da jeder Delphin so sensibel und einzigartig ist, müssen Tierparkleiter außerordentlich sorgfältig vorgehen, wenn sie Tiere für Marineshows auswählen.
    Durch Reifen springen konnte Dickie der Delphin durchaus, wenn auch nicht besonders kunstvoll. Das gleiche konnte man von seinem Tanz auf der Schwanzflosse, seinen Rückwärtssaltos und seinem Geschick mit dem Wasserball behaupten. Während die meisten Zuschauer meinten, er sei ein liebenswerter Bursche, konnten erfahrene Delphintrainer deutlich erkennen, daß er sein Programm nur herunterspulte. Seit er den gestorbenen Orky als Aquariumstar des Wunderlands abgelöst hatte, absolvierte Dickie jede Vorstellung mit derselben stumpfen Gleichgültigkeit. Während der Schwimmrunden legte er die gleiche Haltung an den Tag und wahrte gewöhnlich eine möglichst große Distanz zu jedem lauten, blassen Menschenwesen, das dazu überredet worden war, zu ihm ins Becken zu steigen.
    Die Ausnahme war natürlich, wenn Dickie der Delphin in eine seiner »Stimmungen« verfiel. Dann spielte er mit dem jeweiligen Schwimmer, rieb sich an ihm und stupste ihn mit der Nase, was unweigerlich als Geste aufrichtiger Zuneigung mißverstanden wurde. Delphinforscher haben zahlreiche sexuelle Annäherungen an Menschen beiderlei Geschlechts dokumentiert, doch hinsichtlich der Absichten bei solchen Gelegenheiten sind sie sich bisher nicht einig geworden. Wenn Delphine tatsächlich auf der Intelligenzskala hinter dem Menschen den zweiten Rang einnehmen, dann ist es so gut wie sicher, daß sie eine mit einem Bikini bekleidete Sekretärin nicht für eine