Große und kleine Welt (German Edition)
Familienbilder." Dieser alte Klotz von Mensch, Elias Magus genannt, unterbrach sich hier mit einem so heiseren Lachen, dass der Maler erschrak. Es war ihm, als haette der Teufel selbst diese Worte vom Heiraten gesprochen. "Fuenfhundert Francs sind fuer jedes Portraet gezahlt. Sie koennen also drei Bilder machen."
"Natuerlich, mit Freuden!" rief Fougeres.
"Und sollten Sie die Tochter heiraten, so erinnern Sie sich hoffentlich meiner."
"Ich heiraten!?" rief Pierre Grassou. "Wo ich gewohnt bin, ganz allein schlafen zu gehen und mit der Morgensonne aufzustehen? Ich, der sein Leben geregelt hat…."
"Hunderttausend Francs," sagte Magus, "und ein entzueckendes Maedchen, mit Goldton wie ein echter Tizian."
"Was fuer Leute sind es?"
"Der Alte war Kaufmann. Jetzt ist er Kunstliebhaber und Besitzer eines
Landhauses in Ville d'Avray mit zehn—bis zwoelftausend Pfund Rente."
"Und worin bestand sein Handel?"
"In Flaschen."
"Beim Himmel, hoeren Sie auf! Mir ist, als hoerte ich schon Pfropfen knallen…."
"Darf ich die Leute herbringen?"
"Drei Portraets…. Ich werde sie in den 'Salon' schicken…. Ich werde ins Fach des Portraetisten uebergehen. Nun denn, in Gottes Namen!"
Der alte Elias entfernte sich, um die Familie Vervelle zu verstaendigen. Werfen wir inzwischen einen Blick auf die Vergangenheit Pierre Grassous de Fougeres, um ermessen zu koennen, von welcher Bedeutung ein solcher Auftrag fuer ihn sein konnte und welchen Eindruck das Ehepaar Vervelle mit seiner einzigen Tochter auf ihn machen musste.
Bei Servin, der in der Kuenstlerwelt den Ruf als Meister des Stiftes genoss, hatte Fougeres zeichnen gelernt und war dann als Schueler zu Schinner gegangen, um von ihm in das Geheimnis seiner wunderbaren Farben eingeweiht zu werden. Aber der Meister gab seinem Schueler nichts von diesem Geheimnis preis—Pierre entlockte ihm nichts. Hierauf besuchte er das Atelier Sommervieux, um die Gesetze der Komposition zu studieren, aber sie blieben ihm ein versiegeltes Buch. Er ging zu Granet und Drolling, um ihnen die Technik ihrer effektvollen Interieurs abzusehen, doch vergebens, auch ihnen war nichts zu entreissen. Endlich beschloss Fougeres seine Studienzeit bei Duval-Lecamus. Sein stilles, gemaessigtes Wesen wurde in den Ateliers zur Zielscheibe des Spottes, doch entwaffnete seine Bescheidenheit und ruehrende Geduld bald die Kameraden. Bei den Lehrern fand er wenig Sympathie; sie bevorzugten das exzentrische, uebermuetige, spruehende Temperament, oder aber den ernsten, grueblerischen Charakter, der das Zeichen des Genies ist; bei Fougeres fanden sie nichts als Mittelmaessigkeit.
Sein Aeusseres entsprach seinem Namen, er war fett und plump, mittelgross von Gestalt und von blasser Gesichtsfarbe. Er hatte schwarze Haare, braune Augen, lange Ohren, eine aufwaerts gebogene Nase und einen breiten Mund. Keinem dieser Merkmale seines gesunden aber ausdruckslosen Gesichtes verlieh sein mildes, leidendes, resigniertes Wesen irgendwie eine besondere Bedeutung. Ihn beunruhigte weder das leidenschaftliche Draengen des Blutes, noch die Uebermacht der Gedanken, noch die maechtige Begeisterung, die das Zeichen der genialen Kuenstler sind.
Geboren, ein ehrenwerter Buerger zu sein, war dieser junge Mann nach Paris gekommen, um hier bei einem Farbenhaendler Gehilfe zu werden; aber in seiner bretonischen Hartnaeckigkeit hatte er es sich in den Kopf gesetzt, Maler zu werden, Gott mag wissen, was er aushielt, wie er es zuwege brachte, sich durch seine Studienjahre durchzudarben. Er durchlitt die Entbehrungen der Grossen, die das Unglueck verfolgt und die wie wilde Tiere von der Meute der Mittelmaessigkeit und der Neider verfolgt werden. Kaum meinte er auf eigenen Fuessen stehen zu koennen, so nahm er ein Atelier in der Rue des Martyrs und fing an, zu arbeiten. Im Jahre 1819 trat er mit seinem ersten Werk an die Oeffentlichkeit. Das der Jury zur Ausstellung im Louvre eingereichte Gemaelde stellte eine Bauernhochzeit dar und war eine wohlgelungene Nachahmung des bekannten Bildes von Greuze. Es wurde zurueckgewiesen. Fougeres, als er diese enttaeuschende Mitteilung erhielt, tobte nicht, wie es die Grossen tun, verfiel auch nicht einer jener epileptischen Anwandlungen, die so haeufig mit einer Herausforderung des Direktors oder des Sekretaers der Ausstellung oder mit blutduerstigen Drohungen enden. Nichts von alledem geschah, sondern Fougeres nahm seelenruhig seine Leinwand zurueck, bedeckte sie mit seinem Taschentuch und trug sie wieder in sein
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