Grosser Auftritt fuer Sally
Fotograf bei King Louis auf. Der 30 Jahre alte Boss in Kai Jensens Pferdeherde sah nicht einmal auf, als der Fotoapparat klickte. Er war in seiner langen Schulpferd-Zeit häufiger fotografiert worden als mancher zweibeinige Darsteller.
Fast eine Stunde brauchte der Location-scout, bis er alle Aufnahmen im Kasten hatte. Kai Jensen blieb die ganze Zeit über in seinem Büro verschwunden. Auch noch, als der Fotograf draußen Bilder von seinem Reiterhof machte, einem hundert Jahre alten Haus mit ausladendem Giebeldach, dessen First zwei geschnitzte Pferdeköpfe zierten. Erst später, als Herr Jensen den Wagen des Besuchers hinauf zum Birkenweg fahren sah, ließ er sich wieder im Stall blicken. Er konnte schon gar nicht mehr zählen, wie oft Fotografen bei ihm erschienen waren! Angeblich suchten sie Pferde für die Werbung. Aber daraus war noch nie etwas geworden. Wann brauchte man für Reklamefotos schon Pferde? Für Zahncreme etwa? Oder für Waschpulver? Für Süßigkeiten schon gar nicht.
Aber diesmal irrte Herr Jensen sich. Schon zwei Tage später klingelte sein Telefon.
»Sie kennen die Firma Prosper, Prosper + Prosper«, schnarrte eine energische Frauenstimme. »Die bringt im Frühsommer ein neues Produkt...«
»Prosper, Prosper ... und was?«
». . . und Prosper.« Die Stimme wurde ungeduldig. »SüßWarenhersteller. Das neue Produkt ist eine Waffel für Kinder, die unter dem Namen >Räuberwaffel mit gefährlich cooler Zitronenfüllung< auf den Markt kommt. In praktischer Wiederverschlussfolie.« »Dieses ist ein Reitstall«, sagte Kai Jensen.
»Ja, ja, darum geht es.«
Das Schnarren nahm eine höhere Tonlage an. »Wir brauchen von Ihnen zwei Friesen mit Kutsche. Ferner sechs Reitpferde, braun oder schwarz«, leierte die Frau herunter. Es klang, als ob sie eine Einkaufsliste für den Supermarkt vorlas. »Bevorzugt werden Ihre Pferde Sally, King Louis, Ole und Kalle. Zwei weitere nach Wahl.« Jetzt ging Kai Jensen ein Licht auf.
Der Location-scout! Cornelius H. hatte tatsächlich die Schulpferde in seine Kartei aufgenommen. Einen Moment lang bereute Herr Jensen, dass er ihn so schroff behandelt hatte.
»Was ist?« Das Schnarren am anderen Ende der Leitung brachte ihn in die Gegenwart zurück. »Sind Sie noch dran?«
»Klar.« Der Stallbesitzer beeilte sich mit der Antwort. »Wann brauchen Sie die Pferde denn? Und wie lange?« »Mitte der Woche. Wir können pro Pferd und Drehtag 200 Mark zahlen. Zwei Tage sind vorgesehen. Bei Regen verlängert sich die Drehzeit natürlich.«
»Natürlich«, sagte Herr Jensen abwesend. Er rechnete schon auf dem Rand der Tageszeitung aus, wie viele Stunden Reitunterricht er bei acht, nein, sieben fehlenden Pferden streichen musste. Der Friese Brinkum gehörte ja Benno, dem Feuerwehrmann.
»Gut, ich rufe Sie wieder an. Ich rechne es durch«, schlug er vor. »Schließlich muss ich Unterricht ausfallen lassen.« »Wie Sie meinen«, gab die Frau gleichmütig zurück. Sie nannte eine Telefonnummer in Hamburg. »Wir sind die Großwerbe-Produktions-KG. Ich schicke Ihnen per Fax noch die nötigen Angaben. Nachricht bitte bis Montag, zehn Uhr.«
Gewitterziege, dachte Herr Jensen, als er den Hörer auf die Gabel warf. Wenn alle bei der Großwerbe KG sich so aufführten, na dann vielen Dank. Solchen Typen mochte er seine Pferde kaum anvertrauen. Andererseits - eine tolle Chance. Und auch mal eine Abwechslung. Die Mädchen würden sich bestimmt vor Freude überschlagen.
Er nahm das Unterrichtsbuch vom Schreibtisch und riss im Weggehen das Fax ab, das gerade hereinratterte. Schnelle Truppe, diese Werbefirma, alles was recht war. Rasch überflog der Stallbesitzer das Schreiben. Sie brachten Schauspieler mit, die reiten konnten. Kai Jensen lachte kurz auf. Na, das würde er sich lieber erst mal angucken. Mit gerunzelter Stirn las er weiter: »Ortsbesichtigung: Montag, 17 Uhr«. Montagnachmittag? Vielleicht ließ sich das mit einem Ausritt verbinden? Seine fortgeschrittenen Mädchen hatten dann Reitstunde. Er wollte sie gleich fragen.
»Mensch, Herr Jensen, das ist ja super.«
Jule zeigte wie immer ihre Freude sofort. Cool sein konnte man später noch. Kai Jensen hatte acht seiner Stallmädchen auf der langen Bank vor dem Paddock aufgestöbert und ihnen soeben den Text der Werbefirma vorgelesen. Seltsam, alle kannten Prosper, Prosper + Prosper, die drei Brüder, die mit ihren Waffeln den Süßwarenmarkt beherrschten. Nur er nicht.
Conny stöberte in ihrem Rucksack und zauberte einen
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