Grote, P
zur Räson gerufen. Als Billardspieler hatte er sich einen Namen gemacht, weit über Castillon hinaus. Hier hatte ihn noch nie jemand geschlagen.
Jacques beugte sich über den Tisch und überlegte offenbar, ob er es schaffen würde, die rote Kugel über die Bande anzuspielen.
»
Allez!
Mach endlich, aber das schaffst
du
sowieso nicht«, maulte Martin, »außerdem langweilst du unser Publikum.« Heute fehlte ihm die richtige Konzentration fürs Spiel, zu viel ging ihm im Kopf herum. Er grinste die Gäste an, die am Nebentisch darauf brannten, dass der Tisch endlich frei würde.
Jacques zögerte, schüttelte den Kopf, sein langes schwarzes Haar, in dem sich erste graue Strähnen fanden, flog ihm um die Ohren. Er richtete sich auf. »Lassen wir das. Du hast heute keine Geduld. Was ist los mit dir? Aber vielleicht ist esganz gut, dass Bernard wartet und dass wir die neuen Jahrgänge von Cairanne probieren, die sind eingetroffen.«
Sie übergaben ihre Queues an die Wartenden und gingen an die Bar, wo der Patron vier Flaschen und vor jeder Flasche drei Gläser aufgebaut hatte.
»Monsieur ist heute nicht in Stimmung?«, fragte Bernard und erwartete von Jacques die Antwort.
Martin zog sich einen Barhocker heran. »Eigentlich nicht, aber guter Wein bessert meine Laune. Schenk endlich ein.«
Der Patron hatte die Flaschen längst entkorkt, damit der Wein atmen konnte. Er stammte von der Genossenschaft Cave de Cairanne, Martin hatte ihn vor vielen Jahren hier entdeckt, er kam aus dem Anbaugebiet Côtes du Rhône Villages. Nur die besseren Lagen durften den Namen ihres Ortes angeben. Die weniger Guten mussten auf die Bezeichnung »Villages« verzichten. Und obwohl die Cairanne-Weine nicht zu den Großen zählten, waren sie in ihrer Art wunderbar, einzigartig und bis zur Trinkreife gelagert worden.
Martin, für seine gute Nase berühmt, hatte durch seine Weinauswahl das Bistro in eine Art Geheimtipp verwandelt: Hier gab es Top-Weine zu bezahlbaren Preisen. Er hatte sie ausgesucht, denn in gewisser Weise setzte er so seine frühere Tätigkeit als Weinhändler fort, und der Patron vertraute ihm. Allerdings hasste es Martin, der »deutsche Grenouille« genannt zu werden. Bichot hatte es aufgebracht, der Herr von Château Grandville, er hatte ihn mit dem Mörder aus Patrick Süskinds Roman ›Das Parfum‹ verglichen. Das Einzige, was Martin mit jener Romanfigur gemeinsam hatte, war der einzigartige Geruchssinn.
Jacques und Martin begannen mit einem Réserve von 2005, einem einfachen, unkomplizierten Rotwein, den man allerdings hätte dekantieren sollen. Es war ein Wein für Menschen mit Geschmack, wie auch der Les Voconces. Der stammte allerdings von 2003, und Martin rechnete es der Kooperative hoch an, dass sie die Weine nicht zu früh anbot.Die meisten Weine wurden zu jung verkauft, man überließ dem Kunden die Lagerung. So entging vielen, wie harmonisch ein gut gelagerter Wein wirklich sein konnte. Grenache, Syrah und Mourvèdre waren assembliert worden, so auch beim Les Saliens von 2003, einer dichten und würzigen Assemblage mit kräftiger Frucht und perfekt eingebundenem Tannin. Nichts kratzte, nichts störte, sie war glatt und geschmeidig am Gaumen, sie war reif und gleichzeitig saftig. Dieser Wein machte Lust auf ein gutes Essen, und Martin bekam Hunger.
Wohl der bemerkenswerteste, aber nicht der beste Wein war der Antique von 2001, die Trauben stammten von Rebstöcken, die zwischen fünfzig und hundertzwanzig Jahre alt waren. Der balsamische Duft kam Martin bereits über dem Glas entgegen: grandios für einen nicht einmal teuren Wein, und trotz seines Alters wirkte er lebhaft. Das waren Weine, die ihm gefielen, ganz anders als sein eher opulenter, warmer und eleganter Pechant. Die neuen Weine von Cave de Cairanne konnte der Patron mit bestem Gewissen wieder auf seine Weinkarte setzen.
Martin und Jacques hatten sich ihr Abendessen verdient, Bernard setzte sich dazu. Das Gespräch kam unweigerlich auf die Unterredung in Bordeaux. Martin hatte das Gefühl, sich verteidigen zu müssen.
»Mir geht nicht der Auftrag gegen den Strich, aber ich hasse Geheimniskrämerei. Mit wem hat Coulange sich getroffen? Weshalb hat er ihn mir nicht vorgestellt, und es ärgert mich maßlos, dass sie so viel über mich wissen.«
Ein mitleidiges Lächeln war alles, was der Patron für Martins Bedenken übrig hatte. »Was weißt du, was der sonst noch für Geschäfte laufen hat? Machst du deine Geschäftspartner untereinander bekannt?
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